„Wir stehen kurz vor einer globalen Katastrophe!“
„Uns droht die Apokalypse!“
„Es ist bald zu spät, um den Klimakollaps abzuwehren!“
Und, wann haben Sie das letzte Mal eine solche Schlagzeilen gelesen? Eigentlich muss man nur mit offenen Augen durch die (digitale) Landschaft laufen, um in kürzester Zeit einer dieser dramatischen Prophezeiungen zu begegnen. Diese vermeintlichen Vorahnungen erinnern schnell an das Bild des Jüngsten Gerichts und erzielen bei vielen eine ähnliche Wirkung, wie ihr biblisches Ebenbild vor über 2000 Jahren: Angst.
Klar – angesichts der deutlich ansteigenden CO2-Konzentrationen, die wir Menschen durch die unachtsame Nutzung der fossilen Brennstoffe verursacht haben, ist es nicht die Zeit, sich auf die faule Haut zu legen und entspannt die Restzeit unseres Planeten unterm Sonnenschirm auf Bali zu verbringen. Aber was genau lösen diese Schlagzeilen in uns aus? Fragen wir uns doch einmal selbst: Geraten wir bei den Wörtern „Katastrophe“, „Apokalypse“ und „Klimakollaps“ in Angst und Schrecken, oder strotzen wir vor Tatendrang und Mut zur Veränderung? Was soll eine Panikmache bewirken? Und was bewirkt sie wirklich?
Klimaangst lähmt
Bei den meisten Menschen lösen solche Umschreibungen vor allem eines aus: negative Gefühle und Passivität. Häufig spricht man in Bezug auf die Klimakrise dabei von der „Klimaangst“. Dieser Begriff, von Psychologen oft als sehr ungeeignet bewertet, hat sich mittlerweile zu einem Wort entwickelt, das die psychische Reaktion vieler Menschen auf die natürliche Bedrohung durch den Klimawandel beschreiben soll. Allein die Tatsache, dass für dieses Phänomen ein Begriff existiert, drückt die enorme Präsenz der Problematik rund um diese Angst aus.
Unter den Hashtags wie #ecoanxiety oder #climateanxiety tauschen sich vor allem junge Menschen in den sozialen Netzwerken über ihre Klimaängste aus. Und dieser Austausch über die Angst vor den klimatischen Veränderungen ist wichtig. Doch so, wie er aktuell geführt wird, bringt er uns kaum einen Schritt weiter. Die Angst vor dem „Klimakollaps“ lähmt uns und kann sich sogar in psychischen und körperlichen Problemen äußern: Depressionen, Angststörungen und ein erhöhter Drogenmissbrauch sind nur Beispiele für den Einfluss der Klimaangst auf die Gesundheit vieler, vor allem junger Menschen.
Worin sie sich nicht niederschlägt, ist in fortschrittlichen Ideen, die uns aus der Klimamisere herausbringen können oder zumindest in die richtige Richtung lenken. Und genau das ist das Problem.
Angstnarrative verhindern aktive Verbesserung
Ein weiterer Effekt, den die ständige Wiederholung von Klimapanikmache haben kann, ist die Abnutzung verschiedener Szenarien in der Gesellschaft – oder einfacher gesagt: Wir stumpfen ab. Wenn wir das x-Te Mal lesen, dass die Polkappen schmelzen, der Regenwald stirbt und die Welt morgen untergeht, verliert auch diese dramatische Information an Fallhöhe. Der drohende Kollaps wird so zur Normalität.
Leider haben es so aber nicht nur diejenigen schwerer, den Großteil der Gesellschaft zu erreichen, die ohne große Inhalte Angst schüren wollen, sondern auch unsere Wissenschaftler und all jene, die wirklich gehört werden sollten. Klimaangst versperrt den Blick auf das Wesentliche – an allen Ecken und Enden. Und: Sie kann ansteckend sein – nämlich genau dann, wenn sich Menschen in ihren digitalen Echokammern ständig über ein und dasselbe Problem austauschen, ohne dabei den Blick für konstruktive Lösungsansätze offenzuhalten.
Bedauerlicherweise verbreiten selbst regierungsnahe Institute wie das DIW aktive Panikmache, wenn sie behaupten, dass das Erreichen des 1,5 Grad Ziels von einem Baggerstop in Lützerath abhängt. Solche Verkürzungen sind schlichtweg falsch und schaden nur der Ernsthaftigkeit von Veränderungsbemühungen.
Was erreichen wir mit Angst und dem “Gegen-etwas-sein”? Nichts – einfach nichts. CO2, was einmal in der Luft ist, verschwindet nicht von alleine. Es verbleibt auf absehbare Zeit in der Atmosphäre und treibt damit die Erderwärmung weiter an.
Nur mit einem Umbau unserer Chemie Grundinfrastruktur weg von petrochemischen Prozessen hin zu H2-basierten Prozessen sowie einem Umbau der Zementwirtschaft werden wir unsere CO2-Produktion massiv senken. Mit Hilfe von neuen Technologien wie Carbon Capture werden wir in der Lage sein, noch etwas zu retten.
Mehr als nur ein Klimaproblem
So bedrohlich die Klimaproblematik auch ist, sollten wir nicht außer Acht lassen, dass wir darüber hinaus noch andere Baustellen haben, um die wir uns als Gesellschaft dringend kümmern sollten. Wem es an Anregungen fehlt, der kann einen Blick in die 17 SDG-Ziele werfen. Vor allem medial überwiegt häufig das Klimaproblem oder wird als Totschlagargument getreu dem Motto “Wenn wir den Planeten weiter zerstören, brauchen wir auch keine Lösung gegen Hunger, Armut und Ungleichheiten zu finden!” verwendet. Menschen, die solche Sätze fallen lassen, machen es sich zu bequem. Diese “Alles-oder-Nichts“-Haltung führt zu einem Verharren in den aktuellen Zuständen, anstatt sich auf die diversen Probleme zu konzentrieren, die von uns als Menschheit angegangen und gelöst werden wollen.
Die Reduktion des Blickwinkels auf das Klimaproblem versperrt zudem den Blick auf die Lösungsdimension. Es darf nicht einseitig um die Einsparung von CO2 gehen, sondern wir müssen Konzepte entwickeln, die acht Milliarden Menschen im Einklang mit der Natur und Umwelt leben lassen. Hier ist das “Cradle-to-Cradle“-Konzept ein wesentlicher Baustein. Es führt uns in eine konsequente Kreislaufwirtschaft, die streng zwischen dem technischen, von der Natur zu trennenden Kreislauf, und dem ökologischen Kreislauf von Stoffen, die auch wieder in die Umwelt eingebunden werden können und dürfen, unterscheidet.
Durch die Weitung unseres Fokus auf die Etablierung von Kreislaufdenken können wir eine Reihe weiterer Herausforderungen aus dem Bereich der SDG17 lösen.
Fokus auf Innovation und sinnvolle Technologie
Wir müssen die Klimaangst verbannen, wenn wir nicht wollen, dass die Kluft zwischen dem Bewusstsein und dem Handeln immer größer wird. Es bringt nichts, wenn die gesamte Menschheit der Überzeugung ist, dass die Klimakrise fatale Auswirkungen haben wird und wir alle voller Angst und Schrecken auf die „Apokalypse“ warten.
Wir müssen die Fakten in den Mittelpunkt stellen und uns darauf fokussieren, Lösungen voranzubringen. Das geschieht über Innovation und Forschung, wie wir in den letzten Jahren auch im Rahmen der Coronakrise sehen konnten. Hätten wir alle vor Angst die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, säßen wir heute noch mit Sperrzeiten, Masken und Isolation in unseren Wohnungen. Es braucht Krisenmanager wie damals die Firma BioNTech, denen es in Wochen gelungen ist, einen neuen und wirksamen Impfschutz zu entwickeln. Auch 2008 zu Zeiten der Finanzkrise lässt sich das Phänomen anhand diverser, mittlerweile sehr bekannter Start-Ups beobachten: AirBnB, Uber oder Zalando – alles Unternehmen, die in Krisenzeiten entstanden sind.
Es klingt nahezu ausgelutscht und spätestens nach den vergangenen, von Krisen geprägten Jahren, kann es wohl kaum jemand mehr hören, aber: In Krisen stecken tatsächlich eine Menge Chancen. Und dieser positive Ausblick lässt sich sogar mit Zahlen und Fakten untermauern. Denn Unternehmen, die in Krisenzeiten gegründet wurden, haben eine deutlich bessere Chance, nachhaltigen Erfolg zu generieren. Das belegt eine Studie von Dane Stangler, in der 2009 alle auf der Forbes-500-Liste verzeichneten Unternehmen unter die Lupe genommen wurden. 57 Prozent der 500 umsatzstärksten Unternehmen wurden während einer Krise gegründet. Zu diesen 57 Prozent zählten damals auch namhafte Unternehmen wie Apple, UPS, Microsoft oder LinkedIn. Die Gründe für den größeren Erfolg dieser Krisen-Unternehmen sind vielfältig. Vor allem aber wird es an den Möglichkeiten liegen, die sich durch Umstellungen und neue Gewohnheiten ergeben, die Krisen oft zwangsläufig mit sich bringen. Wer diese Umstellungen und Gewohnheiten früh erkennt, hat die besten Chancen auf Erfolg.
Wir benötigen neue Energieformen wie Kernfusion, neue Ideen für unsere Landwirtschaft, um die gesamte Menschheit mit hochwertiger Nahrung zu versorgen, neue Mobilitätskonzepte sowie Innovationen für ein nachhaltiges Wohnen. All dies ist nicht mit Angst zu erreichen.
Wirtschaftskreislauf und Unternehmertum als aktive Treiber
Neben Wissenschaft und Forschung gibt auch das Unternehmertum Möglichkeiten zur aktiven Gestaltung von Zukunft. Fragen danach, wie neue Ökosysteme entstehen können und welche Anpassungen unser Wirtschaftssystem braucht, um die globalen Herausforderungen zu meistern, führen Unternehmer in die Richtung, aktiv fortschrittlich zu handeln. So entstehen Lösungen für zentrale Probleme parallel zum unternehmerischen Alltag. Fern von Stagnation und Angst wird so Raum für Fortschritt geöffnet.
Nicht jeder kann als Unternehmer oder Forscher direkt tätig werden, aber wir alle haben auch als Konsumenten eine eigene Verantwortung und damit gleichzeitig eine eigene Möglichkeit, Veränderung voranzubringen. Schließlich entscheiden wir selbst, was wir essen, welche Kleidung wir tragen oder welche Autos wir kaufen. Wir können unser Geld in die richtigen Unternehmen stecken und mit der persönlichen Kaufentscheidung einen Wandel unterstützen.
Um es auf den Punkt zu bringen: Jeder von uns kann eine bewusste Entscheidung in die richtige Richtung treffen – und sollte das auch. Nur auf die Politik zu pochen und auf eine Lenkung “von oben” zu erwarten, führt nicht zum Ziel. Wenn wir Angst vor einer fortschreitenden, negativen Entwicklung haben und nach einer positiven Veränderung verlangen, sind wir selbst in der Pflicht, damit loszulegen. Keine Regierung der Welt wird uns dieses Problem aus den Händen nehmen und Wunder bewirken können.
Wir brauchen aktives Handeln und Eigenverantwortung statt Angst
Jeder von uns kann eine bewusste Entscheidung treffen und weiterhin dem Angst-Narrativ folgen oder ins Handeln kommen. Meine Entscheidung habe ich schon vor Jahren gefällt: Ich will Impact schaffen, anstatt mich auf düsteren Szenarien auszuruhen.
Jeder von uns hat Optionen und Wahlmöglichkeiten: Als Verbraucher, als Mitarbeiter und auch als Investor.
Als Verbraucher können wir selbst entscheiden, ob wir beispielsweise auf das E-Auto, öffentliche Verkehrsmittel und Sharing-Modelle setzen wollen, oder beim alten Verbrenner bleiben. Wir haben es in der Hand, weniger sinnlose und mehr sinnvolle Produkte zu kaufen.
Bei der Arbeit können wir als Mitarbeiter Einfluss auf die Produkte und Services des Unternehmens nehmen und versuchen, den richtigen Anstoß in Richtung Kreislaufwirtschaft zu geben. Wir können mitgestalten, wie produziert und entwickelt wird.
Jeder, der sich um seine eigene Altersvorsorge kümmert, agiert als Investor und nutzt Anlageprodukte bei Versicherungen oder vielleicht sogar eigene Sparpläne. Auf all diese Entscheidungen können wir Einfluss nehmen. Es darf uns einfach nicht mehr egal sein.
Impact Investing und Impact Unternehmertum
Es gibt einen Weg aus der Perspektive der Angst vor einem Klimakollaps in eine gestalterische und aktive Zukunft im Einklang mit unserem Planeten. Ich habe versucht, hier einige Impulse für den persönlichen Weg aufzuzeigen.
Für alle die mehr gestalten wollen als Manager, Politiker, Unternehmer oder Investor, kann ich das Gedankengebäude des Impact-Unternehmertums und Impact-Investings empfehlen. Es verbindet die Gestaltungskraft des Wirtschaftens mit den Herausforderungen der SDG17, denen wir uns stellen müssen.
Die Grundidee ist es dabei, den Fortschritt in die richtige Richtung zu lenken. Dynamische und messbare Lösungswege sind das, was unser Klima und damit unsere gesamte Welt jetzt braucht. So finden wir einen Weg nicht nur aus der Klimakrise und schaffen damit einen Benefit für unzählige Folgegenerationen. Wir können und müssen den Stein mit Innovation und Fortschritt ins Rollen bringen, statt uns von Angst und Panik einnehmen und ausbremsen zu lassen.