Was kommt nach SaaS für Unternehmer und Investoren?

3. Juli 2024

Wie wir uns alle auf die Post McFit- und Post-Peloton-Zeiten einstellen können

Jede Zeit hat ihr Lieblingsgeschäftsmodell. Peloton weiß jetzt, dass Menschen für das Sehen und gesehen werden im Fitnessstudio mehr Geld ausgeben als für überteuerte Fahrräder mit Community-Software im Abo-Modell. 

Die meisten PE- und VC-Investoren wissen noch nicht, dass die Zeit der SaaS-Modelle (Software as a Service, also Software im Abo Modell) eigentlich schon vorbei ist. Noch werden Startup-Gründer in die Richtung der Recurring-Revenue(Abo)-Modelle gedrängt, weil sozusagen die gesamte Private Equity Branche auf ARR, also Annual Reccuring Revenue als Kennzahl der Glückseligkeit, fixiert ist. 

Tageszeitungen als Ursprung der Abomodelle

Die Vorreiter des Abomodells waren vor 70 Jahren die Tageszeitungen. Darauf folgten die Zeitschriften, die sich Redaktionen nur durch ihre oft drückermäßig organisierten Abomodelle leisten konnten. Doch die Medienbranche merkt seit etwa 15 Jahren die schwindende Lust der Verbraucher auf eben solche Abomodelle. 

Gerade spüren auch die digitalen Nachfolger wie Netflix, Disney oder Spotify, dass sich Nutzer trotz des Zugriffs auf die gesamten Film- und Musikbibliotheken dieses Planeten nicht ewig im Abomodell halten lassen und der Grenznutzen für Nutzer mit der Zeit abnimmt. Dies liegt im Streaming-Markt aktuell vor allem an der Fragmentierung durch verschiedene Dienste und dem Wettbewerb um Aufmerksamkeit durch alternative Services wie TikTok. 

Software-Verkauf im Laufe der Jahre

Die Software-Branche hat für über 30 Jahre, beginnend mit dem PC-Boom in den 1990er Jahren, Lizenzen verkauft. Investoren von privaten und auch an Börsen gelisteten Unternehmen waren davon lange begeistert. Denn sie hatten begriffen, dass man mit einer einmal entwickelten Software durch Lizenzvergabe und einem weltweiten Vertriebsmodell eine quasi unendliche Skalierung erreichen konnte. Unter Economy-of-Scale-Gesichtspunkten war Software damit DAS optimale Produkt, weil man zu den Grenzkosten des Vertriebes Gelddruckmaschinen erzeugen konnte. Diese Ära war durch den Aufbau weltweiter Vertriebsmaschinen geprägt. Der Neuvertrieb war zu dieser Zeit einfacher zu organisieren als das aufwändige Verwalten von Kundenbeziehungen. 

Daraus haben sich dann zum Teil heute noch super erfolgreiche Unternehmen wie Microsoft, Oracle, aber auch SAP entwickelt. Die in den 1990/2000er Jahren vertriebenen Lizenzen konnten die Firmen und User theoretisch auf ewig nutzen. Faktisch nimmt der Nutzen durch die über die Jahre immer höher gewordene Änderungsfrequenz inzwischen sehr schnell ab. 

Daher hat man dann in den 2000er Jahren begonnen, Wartungsverträge an die Firmenkunden zu verkaufen. Denn das Neukundenwachstum kam an seine Grenzen und man musste die vorhandenen Kunden besser betreuen und dann ausquetschen. Über den Zwischenschritt der Wartungsverträge gelang es, die Kunden ab den 2010er Jahren an die echten Reccurring-Modelle des Cloudzeitalters zu gewöhnen.  Endlich war man wieder bei den Abomodellen angelangt. 

Für die Krönung der Mehrwertschöpfung zahlen die Private Equity Branche und die Investoren in aktiennotierte Titel für die reinen Software-Reccurring-Umsätz 20er Multiples. Jedoch nicht wie für nahezu alle anderen Asset Klassen auf das EBIT, sondern auf den Umsatz! Nur mit niedrigen Zinsen und über massive Wachstumsraten jenseits von 25% pro Jahr lassen sich die Diskontierungsmodelle so weit verbiegen, dass man solche Bewertungen noch rational begründen kann. 

Renaissance individueller Software-Lösungen

Das Lieblingsmodell der Investoren kommt unter Druck. Das Ende der Party ist in Sicht. In den Unternehmen bekommen die CFOs und Erbsenzähler wieder die Oberhand und die Kosten kommen in Zeiten von Inflation, Lieferkettenherausforderungen und Nachfrageproblemen wieder klarer in den Fokus. Und auf einmal kapieren die Kunden eines: Mit dem SaaS-Cloud-Modell ist es so wie mit den Fitnessstudio-Abos. Der CFO zahlt zwar für alle Mitarbeiter brav sein Software-Abo, aber die meisten User gehen gar nicht ins Gym! Da wächst gerade ein deutlicher Widerstand gegen die einfachen Abrechnungsmodelle pro User pro Monat in simplen Modellen.  

Und dann ist da noch das Thema KI und die Auswirkung auf die Entwicklung von individueller Software. Denn was wäre, wenn Kunden in Zukunft maßgeschneiderte Lösungen auf Basis ihrer eigenen Anforderungen von KI-Programmierern entwickelt bekommen, bei denen die wesentlichen heutigen Nachteile von individuellen Softwareprojekten gar keine mehr sind?  

  • Bessere Wartbarkeit durch klar nachvollziehbare und über die Zeit dokumentierte Anforderungen (Requirements).  
  • Deutlich geringere Kosten durch den KI-Einsatz bei der Implementierung.  
  • Höhere Passgenauigkeit auf die konkreten Anforderungen und damit ein höherer Wettbewerbsvorteil für den Kunden gegenüber seinen Mitbewerbern.  
  • Geringere Wartungskosten bzw. Anpassungskosten abhängig von den tatsächlich benötigten Änderungen und nicht aufgrund neuer Produktfeature, die meist vor allem für Neukunden im Vetriebsprozess bereitgestellt werden. 

Durch den KI-Einsatz wird die Nutzung individueller Softwareprojekte gegenüber den heute üblichen großen Standard-Branchensystemen wieder viel attraktiver. Durch den KI- und Kosten-Druck kommt das SaaS-Modell deutlich unter Attraktivitätsdruck! 

Integration externer Datenquellen – API und mehr

Eine gute Software hatte bisher abstrakt meist nur eine Aufgabe: Daten, die der Kunde heute schon irgendwo selbst besitzt oder im Zugriff hat, sollen in das Softwaresystem eingepflegt werden. Die Software verarbeitet diese Daten nach einer festen Prozesslogik, verbindet anschließend geschickt verschiedene Daten im Unternehmen und liefert damit Entscheidungsgrundlagen, erstellt Rechnungen, oder koordiniert Abteilungen und Menschen. 

Die Cloud-Welt hat dann das Thema Schnittstellen und Integrationen über APIs hervorgebracht. Eine guter SaaS-Service musste sich in den letzten fünf Jahren einfacher und besser in andere SaaS-Lösungen integrieren lassen. Damit ist das uralte Thema Schnittstellen und Integrationen von einer aufwändigen Projektrealisierung in den 1990er und 2000er Jahren heute zu einer deutlich einfacheren Aufgabe geworden. Diese Entwicklung hat die Cloud-SaaS-Idee befeuert und den Kunden ein paar Vorteile gebracht. 

Im heutigen KI-Zeitalter wird all das für eine rosige SaaS-Zukunft nicht mehr reichen. Ein Software-Anbieter wird in Zukunft Zugriff auf externe Datenquellen liefern müssen, mit denen die Daten der Kunden noch wertvoller werden, weil sie im Kontext der Satelliten-, Traffic- oder anonymisierten Transaktions-Daten andere Kunden, zur wichtigen Entscheidungsgrundlage werden. 

Softwareunternehmen übernehmen damit über die Anbindung externer Datenquellen und die Einbindung von KI die Rolle ganzer Berater-Heerscharen. Dies bedeutet damit auch, dass es nahezu unmöglich werden wird, so abstrakte Werkzeuge wie „EIN ERP“ oder „EIN CRM“ anzubieten, weil man sich als Softwareanbieter viel tiefer mit den Mehrwerten und Details einer Branche wird auseinandersetzen müssen. 

SaaS war ein wichtiger Effizienztreiber für Digitalisierung

Das Cloud-SaaS-Modell hat es den Anbietern in den letzten Jahren ermöglicht, immer größere weltweite Kundengruppen zu erschließen, weil man mit immer geringeren Start- und Implementierungskosten quasi immer den weltweiten Markt erreichen konnte. In dieser Welt hing es vor allem am Vertrieb, ob man es wirklich schaffte, die Software in anderen Märkten zu etablieren. 

Die Effizienzsteigerungen der letzten 30 Jahre bei der Produktion der Software durch die Einführung des Agile-Konzeptes als Angriff auf das hierarchische Wasserfallmodell der 1980er Jahre, sowie die neuen Distributionsmodelle durch Cloud-Bereitstellung und einfach online abzuschließende SaaS-Kontrakte sind als gigantisch einzustufen. 

Damit ist eigentlich nur eines passiert: Wir haben die Digitalisierung der Welt in jeden Zipfel unseres informationsverabeitenden Lebens ermöglicht. Die Schnittstellen Hören, Sehen und ein Teil des Denkens haben wir digitalisiert. Mit KI sind wir nun vorgedrungen in den Bereich, der bisher uns Menschen vorbehalten war: das Entscheiden. 

Die daraus resultierenden Herausforderungen werden uns noch ein paar Jahre beschäftigen und genügend Branchen umkrempeln. Aber es gibt noch ein anderes Thema, das wir im Blick halten sollten. 

Das alte Hardware-Integrations-Dilemma

Der nächste entscheidende Schritt für die vollständige Digitalisierung unserer Welt ist die vollständige Integration von Software in Hardware. Was ist, wenn die Auswirkung einer maschinellen Entscheidung tatsächlich über einen Maschinenkörper – also etwas, was wir heute Roboter nennen – in die physische – also die heute noch reale Welt – übertragen wird? 

Was bedeutet das für unsere Welt von morgen, in der menschliche physische Arbeitskraft das erste Mal in der Menschheitsgeschichte nicht durch Technologie effizienter gemacht wird, sondern vollkommen unabhängig vom Vorhandensein menschlicher Körper möglich sein wird? 

Was bedeutet dies für Unternehmer und Investoren in Bezug auf den uralten Microsoft-Apple-Kampf? Ist es in dieser Welt der KI-gesteuerten Körper besser, den ganzen Stack aus Hardware (also Motorsteuerung, Sensorik) und Software in integrierter Form zu entwickeln, oder werden sich hier wegen der Komplexität der Aufgabe spezialisierte Schnittstellen entwickeln? 

Wie wird es also enden?

Gibt es also heute eine klare Antwort auf die Frage, was für Investoren und Unternehmer nach dem SaaS-Modell als dem heiligen Gral kommen wird? 

Nein. Aber die Zeiten, mit denen man über ein Distributionsmodell für Software, denn nichts anderes ist SaaS, einen ausreichenden Burggraben im Geschäftsmodell aufbauen konnte, um Investoren glücklich zu machen, werden zu Ende gehen, wenn ausreichend viele Investoren begriffen haben, was gerade passiert. 

Aber VC-, PE- und auch die Aktieninvestoren werden neue Themen zu ihrem Lieblingsthema machen und mit Geld überschütten. Ich bin überzeugt, dass diese Welt ein wenig fragmentierter und kleinteiliger werden wird. 

Dabei ist es vielleicht gar nicht so schlecht, wenn in Zukunft weniger Menschen jahrelang glauben – oder müsste man sagen hoffen, dass man als Autohersteller wie Tesla als einziger in diesem Markt wie ein Softwareunternehmen bewertet wird. 

Zu befürchten ist, dass in einer fragmentierteren und eigentlich realistischeren Investorenwelt die Übertreibung durch Aufmerksamkeit und menschliche fomo (fear of missing out) größer werden wird. Vielleicht sehnen wir uns dann nach den goldenen Jahren, als ein einfaches Distributionsmodell für Software-Investoren die ganze Welt gleichgeschaltet hat. 

Bild generiert mit ChatGPT
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