Das Pure Play Engineering Tech VC Game – Wie findet man die Gründer, die unsere Zukunft gestalten?

26. Februar 2025

Ein Gespräch über Skalierung und Timing

Venture Capital ist ein entscheidender Motor für technologische Innovation – doch wie identifiziert man die wirklich großen Ideen und die Gründer, die Märkte revolutionieren können?

Darüber spreche ich mit Axel Bichara, Cofounder und General Partner von Baukunst, einem 100 Mio. USD Risikokapitalfonds mit Sitz in Boston. Er ist vor vielen Jahren aus Deutschland nach Boston gekommen.

Axel ist selbst erfolgreicher Gründer und war der erste Investor in Solidworks. Er hat in Solidworks nicht nur investiert, sondern hat sogar die Gründer zusammengebracht. Im Bereich Engineering Software hat er große Erfolge erzielt, investiert heute aber breiter und damit generalistischer im Tech-Umfeld.

Axel gibt spannende Einblicke in seine Strategie und erklärt, warum gerade der richtige Mix aus Fokussierung, Mut und Kapitaleffizienz über den Erfolg entscheidet.

Stefan: VC-Fonds gestalten unsere Zukunft mit, in dem sie Ideen von Gründern mit Geld versorgen. Die Art und Weise wie Einfallsreichtum, Technologie und Wirtschaft zusammenwirken scheint sich in den letzten Jahren deutlich zu verändern.

Ihr bezeichnet euch als agnostischer Tech- und Engineering Investor – seid ihr damit ein spezialisierter oder eher generalistischer Fond?

Axel: Ich bin darauf spezialisiert Gründer mit sehr hohem Potential in interessanten, oft neuen Märkten zu finden, wo man Firmen mit Milliarden Bewertungen aufbauen kann. Die besten Ideen entstehen oft an der Schnittstelle von Märkten, neuen Technologien und Geschäftsmodellen. Je offener man für Neues ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit wirklich interessante Opportunities zu finden. Natürlich muss man das Potential beurteilen können, was auch dazu führt, dass man wie ich in Engineering Software immer wieder interessante Firmen findet, aber oft über verschlungene Wege. Wir haben z.B. mehrere Investitionen im Lebensmittelbereich getätigt und dadurch eine Gründerin gefunden, die moderne Manufacturing Software für Lebensmittel entwickelt.

Die Spezialisierung, an die ich fest glaube, ist die der klaren Fokussierung auf die professionelle und umfassende Begleitung der Gründer in ihrer allerersten Phase, also der Pre-Seed Phase. Wenn man heute in einem großen Fond mit Milliarden Dollar ist, wie ich es früher war, kann man sich gar nicht auf Startups fokussieren die nur kleine Summen im Bereich von 1 oder 5 Millionen USD benötigen. Das ist die beste Opportunity im VC-Geschäft – aber all die großen Firmen machen das gar nicht mehr. Um im Pre-seed erfolgreich zu sein, muss man wissen, was man tut, groß denken, aber gleichzeitig sehr intelligent und kapitaleffizient agieren.

Stefan: Habt ihr Baukunst mit dieser Vision gestartet?

Axel: Ja, wir sind Pre-seed Lead Tech-Investoren und fast immer der erste Investor in unseren Startups. Mehr als die Hälfte der Firmen, die wir finanziert haben, wurden erst nach unserem Commitment gegründet. Wir helfen dabei das Fundament der Firma aufzubauen, so dass sie maximales Potential hat. Wir sind im Board aber geben diese Führungsrolle im Laufe der Jahre an Follow-on Investoren ab, aber bleiben natürlich investiert bis zum möglichst großen Exit. Diese Strategie erlaubt es uns, mehr Investitionen pro Partner zu machen, weil wir nicht für zehn oder mehr Jahre in den Boards bleiben.

Stefan: Wie sieht diese Unterstützung Konkret aus?

Axel: Das Wichtigste ist das Team richtig aufzubauen. Dann arbeiten wir mit den Gründern daran den Product Market Fit mit so wenig Kapital wie möglich zu erreichen. Es hilft außerdem, den Product Market Fit und den Business Model Proof unabhängig voneinander anzugehen, weil beides gleichzeitig in der Frühphase einer Firma meistens zu kompliziert ist. Kapitaleffizienz ist sehr wichtig, um in einer Position der Stärke für die nächste Finanzierungsrunde zu landen. Wir haben auch den internen Spruch „every company becomes an execution play eventually“, d.h. man muss die Firmen über viele Jahre sehr gut führen, um etwas großes aufzubauen. Diese Einstellung und Disziplin des soliden Firmenaufbaus bringen wir von Anfang an in unsere Firmen.

Stefan: Mit Eurer hohen Kompetenz und Erfahrung im gesamten Engineering Umfeld gebt ihr den Unternehmen in der Frühphase einen sehr hohen operativen Mehrwert. Das schätzen Eure Gründer an Euch gegenüber all den VCs, die nur Geld geben. Ihr arbeitet aber weiter mit dem in der Tech-Branche üblichen VC Risiko Profil. Ein großer Teil der Gründer schafft es trotz Eurer Unterstützung nicht durchzukommen. Eure Investoren und ihr verdient Euer Geld mit den 40-50% der Firmen, die es schaffen und von denen dann einige auch Milliarden Bewertungen erzielen können.

Axel: Die Wertschöpfung im Tech Geschäft kommt von den besten Firmen, die in ihren Märkten gewinnen. Unser Job ist es, Gewinner aufzubauen. Da kommen die Returns für die Investoren und auch die Arbeitsplätze her. Es gibt dabei so viele Risiken, dass man, selbst wenn man sehr gut ist, nicht alle eliminieren kann. Deshalb investieren wir nur, wenn mir mehr als ein Millarde Upside sehen und fokussieren darauf, das erreichen zu können. Es geht dabei immer um die Upside, nicht darum die Downside zu schützen.

Stefan: Gehört dazu nicht in letzter Konsequenz auch, aus den Startups, bei denen man zwar den Technologie Fit erzielen konnte, aber der Marktfit keine Skalierung erwarten lässt, schon frühzeitig auszusteigen?

Axel: Ja, wenn die Upside nicht da ist, sollte man als Gründer und Investor ans Aussteigen denken. Manchmal dauert es aber einfach länger, bis Märkte reifen. Da muss man dann kapitaleffizient sein und versuchen gute Entscheidungen zu treffen, ob man weiter macht oder nicht.

Stefan: Ist es damit ein logischer Schritt, dass VCs mehr in das Modell Venture Builder und Company Building einsteigen?

Axel: Wenn Venture Builder bedeutet, dass man als VC selbst die Firmen aufbaut, ist meine Antwort ganz klar nein. Es geht darum, Gründern zu helfen, über zehn Jahre etwas großes aufzubauen. Das bedeutet zehn Jahre rund um die Uhr arbeiten und alles zu tun, um erfolgreich zu sein – der Entrepreneurial Drive. Ohne diesen Spirit gibt es keinen Erfolg. Eine Investition ohne einen sehr guten Gründer würden wir nie machen. Vielleicht eine Analogie: Roger Federer ist ein großer Tennisspieler mit sehr guten Trainern. Wir sind die Trainer, aber man sollte uns nicht auf den Platz schicken.

Stefan: In Deutschland jammern wir ja immer, dass uns die großen US VC Funds mit den tollen Namen fehlen. Ist das damit wirklich das Kernproblem? Oder bedeuten Deine Schilderungen nicht, dass wir ein viel zu einfaches Bild von den Aufgabenstellungen im VC-Bereich haben in Deutschland? Nach Deiner These benötigen wir ja vor allem für die Seed Phase sehr erfahrene Investoren, die gute Trainer für die VC-Gründer und Teams sind.

Und danach dann die großen VCs, die in der Lage sind auch mehr als 200 oder auch 500 Mio. USD zu deployen, um eine echte Skalierung hinzubekommen. Beides ist VC, aber man braucht eine klarere Segmentierung und auch Reife der Markt-Teilnehmer, also bei den Foundern und auch in der VC-Industrie. Was ist Deine Sicht?

Axel: Es gibt sehr gute Investoren in Deutschland und nahezu unbegrenzt Kapital weltweit das sicher gerne in Deutschland investieren würde. Ich glaube nicht an ein Kapitalproblem zum Skalieren in Deutschland. Wenn, dann ist es eher ein Problem, dass es nicht genug VC-Investoren gibt, die wirklich die Erfahrung haben, Firmen in der Anfangsphase richtig aufzubauen, oder dass solche Investoren de facto in Konkurrenz mit weniger erfahrenen Investoren stehen. Das Problem haben wir in den USA auch – eine Gruppe von Angels und weniger erfahrenen Investoren kann wie eine Gruppe von Trainern sein, die Roger Federer sehr unterschiedliche Dinge sagen, was zu tun ist – und die Founder werden dadurch eher verwirrt, als dass es ihnen hilft.

Stefan: Wir tun in Deutschland eine Menge für Startups. Die Gründer Zahlen steigen an. Wir heben Gründer auf die Bühne und stellen sie ins Rampenlicht, auch wenn die Firmen noch gar keinen echten Erfolg haben. Aber daraus werden in fast allen Fällen keine echten Erfolgsgeschichten mit großen Namen. In der Gesellschaft müssen sich Unternehmer, die wirklich Leistung und großen Erfolg erzielen wollen, für ihren Spirit rechtfertigen.

Axel: Die USA haben einen klaren und großen gesellschaftlichen Vorteil: Firmen starten, Unternehmertum, Risiken eingehen, auch Geld verdienen, werden hier breit anerkannt und als rundum positiv gesehen. Es gibt keinen Neid, sondern Anerkennung, wenn man erfolgreich ist. Bei Universitäten wie MIT, wo ich meine erste Firma gestartet habe, war es schon vor Jahrzehnten so, dass es fast erwartet wird, dass du Gründer wirst, wenn du gut bist. Deutschland hat sich da stark verbessert aber kann noch unternehmerischer und erfolgshungriger werden.

Stefan: Lass uns mal in Richtung Technologie schwenken: Wird sich die Venture Capital Industrie durch KI verändern? Oder ist KI nur wieder eine neue Technologie wie das Internet, die auf das Operating Modell der Gründung und Skalierung von Unternehmen eher keinen Einfluss hat?

Axel: KI wird wie das Internet, Smartphones, oder Cloud Computing zu einer Weiterentwicklung der Architektur von Firmen und Produkten führen. Jede Tech Firma wird eine AI Firma sein, genau wie jede Tech Firma heute eine Internet oder Mobile Firma ist. Es werden mit Sicherheit auch sehr viele neue Bereiche entstehen, wo KI ganz neue Geschäftsmodelle ermöglicht, und solche Firmen möchten wir natürlich auch aufbauen. Neue Geschäftsmodelle sind für uns viel interessanter als neue Technologien. Das klassische Beispiel ist Uber: Das iPhone hatte nicht viel mit Taxis zu tun, aber hat die Möglichkeit eröffnet, das Taxi Geschäft neu zu strukturieren.

Stefan: Du beschäftigst dich seit dem Beginn deiner Karriere mit Kreativität, Design, Produktentwicklung und Fertigung. Wie siehst du die Zukunft der Produktentwicklung für physische Produkte in Anbetracht der immer größeren Dominanz von Software und des Rückgangs der Globalisierung? Welchen Einfluss werden die neuen Möglichkeiten der Robotik und KI auf Automatisierungstechnik und die Produktion von physischen Waren haben?

Axel: Wir sehen Design und User Experience als wichtigste Komponenten von neuen Produkten, im Consumer Bereich ebenso wie im B2B Bereich an. Wenn man eine neue Firma aufbaut, müssen die Produkte die Kunden begeistern. Die User Experience fängt schon an, wenn man auf der Webseite der Firma landet oder sie auf Instagram sieht. Insofern ist praktisch jedes Unternehmen heute schon auch ein Softwareunternehmen. Außerdem ist Software die logische Plattform zur Kundenbindung im Laufe der Zeit. Hinzu kommt das völlig andere Kundenverhalten von neuen Generationen das immer mehr von Software getrieben sein muss.

Bei Software für die Produktentwicklung wird es auch durch KI enorme Verbesserungen geben. Es dauert immer noch viele Monate, bis Ingenieure mit heutiger Design Software produktiv sind.

In der Fertigung ist Onshoring ein wichtiger Trend, aber es braucht Zeit, um abgewandertes Know How zu ersetzen. Die Umbrüche in der Supply Chain sind eine Opportunity für neue Firmen und können Produktentwicklung und Fertigung beschleunigen. Ein Beispiel ist die Leiterplattenfertigung in den USA. Wenn man eine Fabrik mit moderner Technologie in hoher Qualität in der Nähe hat, bekommt man seine Elektronikprodukte schneller an den Markt, als wenn man auf Platten aus China oder Taiwan warten muss. Eine unserer Firmen ist dabei, eine solche moderne, Software-getriebene Fabrik in den USA zu entwickeln.

In der Robotik hat sich enorm viel getan. Es ist heute sehr einfach, mit Plattformen wie Vention moderne Automatisierungslösungen kostengünstig und schnell zu bauen und die Roboter dabei gleich mit einzukaufen und zu integrieren. Für Roboter die unabhängig agieren, und z.B. selbst konfigurierend mit anderen Robotern zusammen arbeiten, muss sich die KI noch etwas weiter entwickeln. Wir werden da in den nächsten Jahren viele Fortschritte sehen.

Ein Kommentar zu Humanoid Robots: Ich bin im Gegensatz zu vielen anderen der Meinung, dass Humanoids mit Beinen und fünf Fingern pro Hand für viele Anwendungen nicht sinnvoll sind, weil ein Roboter mit so vielen Freiheitsgraden einfach zu teuer ist. Wir werden hier Roboter Baukästen sehen, die je nach Aufgabe konfiguriert werden, wobei der größte Wert in der Software liegen wird.

Stefan: Auf welche Felder von Fertigung, Robotik, Automatisierung, Planung und Design von Produkten und Services sollten sich Gründer und Investoren stürzen? Wo sind die Märkte, Chancen und Opportunitäten? Wird KI ein wesentlicher Treiber sein?

Axel: Es gibt hier sehr viele Firmen mit Milliardenpotential, weil sich so viel verändert. Ich würde nach neuen Geschäftsmodellen suchen, statt bestehende Modelle zu optimieren.

Ich bin sehr an Firmen interessiert, die Design und Fertigung integrieren.

Es gibt enorme Ineffizienz in Produktenwicklung, Kollaboration, Supply Chain und Fertigung. Da kann KI völlig neue Möglichkeiten eröffnen, weil KI mit instruktiveren und verteilten Daten umgehen kann.

Aber die wesentliche Neuerung ist, wie prozessual jetzt all die schon lange bekannten Themen neu ineinandergreifen. Das neue Potenzial durch KI und Robotik steckt in kleineren Stückzahlen, höherer Spezialisierung, tieferer Integration und vor allem der viel höheren Geschwindigkeit bei der Entwicklung und dem time to market als bisher.

Stefan: Wie können sich etablierte Unternehmen auf diese Zukunft einstellen und vorbereiten?

Axel: In allen Bereichen müssen Design, User Experience und Software im Vordergrund stehen, sowohl extern als auch intern und natürlich mit Benutzung von KI. Diese Richtung muss aus der Führung der Firmen kommen und für signifikante Veränderungen in Produkten und Geschäftsmodellen offen sein. Das können sicher auch ein paar etablierte Firmen schaffen, aber es geht um ein tiefgreifendes neues Verständnis aller verbindenden Prozesse.

Die Geschwindigkeit wird einfach immer größer. Und ich setze damit natürlich vor allem auf neue Unternehmen, die man von ganz vorne an richtig aufbauen kann, um dann die Welt zu erobern.

Stefan: Danke, Axel, für das spannende Gespräch! Ich bin sicher, dass wir noch bei einigen der nächsten großen Tech-Erfolgsgeschichten von euch hören werden.

Venture Capital lebt von mutigen Gründern – und von Investoren, die bereit sind, in der risikoreichsten Phase echte Unterstützung zu leisten. Wer Impact will, muss früh rein, mitdenken und mit anpacken.

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