Ja, die letzten Jahre mit Corona, Supply-Chain-Problemen und einem Krieg in Europa waren und sind anstrengend für Unternehmer und Manager, für Mitarbeiter und für jeden Bürger. Von Krisen aus dem Blickwinkel der Weltwirtschaft zu sprechen, wäre nicht angemessen. Es waren drei globale Störungen hintereinander – das hat es lange nicht gegeben. Die Staaten haben versucht, diese Störungen für die Wirtschaft und Verbraucher mit viel neuem Geld abzufedern. Dennoch waren die letzten drei Jahre kräftezehrend und alles andere als normal für uns alle.
Die echte Krise in Form einer Wirtschaftskrise mit Rezession kommt jetzt und lässt sich nicht mehr verhindern. Denn sie darf und kann von den Zentralbanken nicht mehr abgewendet werden, weil wir nur mit einer echten Krise die Inflation wieder gebremst bekommen. Eigentlich ist alles klar und so meint Wirtschaftsforscher Manfred Hübner in einem Interview: „Wir steuern weiter auf die am besten angekündigte Rezession aller Zeiten zu“
Aber was genau bedeutet das für Führungskräfte, Unternehmer und Manager? Was genau muss in einer Krise getan werden?
In den angelsächsisch getriebenen Kapitalmarkt-Unternehmen ist die Sache klar:
- Hartes Cost-Cutting, alles wird in Frage gestellt. Wenn Umsätze einbrechen oder einzubrechen drohen, dann müssen die Kosten runter. Nur so lassen sich die Finanzkennzahlen wieder in den Griff bekommen.
- Marketing und andere Bereiche, die nicht in direkter und kurzfristiger Form für das Ergebnis benötigt werden, spüren es am deutlichsten. Freelancer fallen meistens den ersten Rotstift-Wellen zum Opfer.
- Und Benefits für Mitarbeiter werden überprüft und gestrichen.
Diese Logik stößt vor allem im von Mittelstand und im Familien-Unternehmern getriebenen Deutschland auf Unverständnis. Häufig wird der Aktionismus in Frage gestellt und auf die negative mittel- und langfristige Wirkung von Cost-Cutting-Aktivitäten hingewiesen.
Status Quo, Nicht-Handeln als unternehmerische Option und Hoffnung für alle
Aber was bedeutet es, wenn sich viele Unternehmen entscheiden, nichts zu ändern und mit ruhiger Hand auf Veränderungen der externen Einflüsse zusteuern?
Was bedeutet es für uns als ganze Gesellschaft, wenn unser Staat uns seit drei Jahren auf massive Störungen in unserer realen Welt die Nachricht gibt, dass er für jeden Einzelnen sorgen wird und keiner durch das Raster fällt?
Hält das tatsächlich unsere Gesellschaft zusammen oder gewöhnt uns dieses Verhalten daran, dass es echte Krisen nicht mehr gibt und der Staat sich schon um uns alle kümmern wird?
Ist es wirklich der richtige Weg, wenn Unternehmer und Manager versuchen, mit möglichst geringen Veränderungen durch Störungen und Krisen zu kommen?
Wann haben sich Politiker in den letzten drei Jahren getraut, unabhängig von Partei und Regierung, Einschnitte anzukündigen oder Veränderungen zu fordern?
Die Natur und die Welt funktionieren in Zyklen
In der Natur gibt stabile Gleichgewichte, aber selbst diese Gleichgewichte – wie z.B. zwischen Räuber und Beute – funktionieren in Bezug auf die Populationen in Zyklen.
Unser Staat hat nicht die Aufgabe, als Versicherung für jeden Einzelnen für alle Veränderungen in der Natur und der Geopolitik einzuspringen. Unser Staat hat die Aufgabe, Regeln aufzustellen und das Zusammenleben so zu orchestrieren, dass wir uns als Gemeinschaft entwickeln können und zukunftsfähig aufgestellt sind.
Jeder Einzelne muss die Bereitschaft haben, den Status Quo und die Komfortzone zu verlassen und sich zu verändern.
Und ja, wir leben (zum Glück!) in einer sozialen Marktwirtschaft und haben das Ziel, die Schwachen und diejenigen, die eine Veränderung nicht bewältigen können, zu unterstützen. Aber den Willen zur Veränderung dürfen wir erwarten.
Natur, Ökosysteme, Geopolitik, Wirtschaft, Konjunktur, Unternehmen – all das funktioniert in Zyklen, mit Auf und Abs. All diese Umwelt-Realitäten erfordern Veränderungsbereitschaft und Veränderungswillen von jedem Einzelnen von uns.
Wir haben kein Recht und keinen Anspruch auf den Status Quo! Wir haben die Aufgabe, uns an die Realitäten unserer Umgebung anzupassen.
Menschliche Grundbedürfnisse und Prinzipien von Führung
In jedem von uns schlummern zwei menschliche Grundbedürfnisse:
- Wir wollen uns vor Gefahren schützen (Sicherheit) und
- wir sehnen uns nach Bestätigung und Beachtung, die uns unsere Mitmenschen über Wertschätzung zukommen lassen.
Aufgabe von Führung in Zeiten einer Krise ist also vor allem Sicherheit zu vermitteln. Sicherheit kann in einer Krise keine Zusage für Nicht-Veränderung sein. Sicherheit kann keine Job-Garantie für alle sein. Denn damit gefährdet man die Sicherheit für das Kollektiv. In einer Krise müssen Unternehmer und Manager die Sicherheit für das Unternehmen in den Mittelpunkt stellen und die Auswirkung für jeden Einzelnen klar herausarbeiten und kommunizieren.
Führung in der Krise bedeutet, den Fokus zu verändern und an die Realität anzupassen. Führung in der Krise bedeutet, Zyklizität zu begreifen und zu verstehen, dass es einen hoffentlich kurzen Zeitraum gibt, in dem die Sicherheit der Organisation, also das Überleben und die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens im Vordergrund steht. Auch harte Entscheidungen lassen sich wertschätzend vermitteln.
Natürlich gelten die Konzepte des New Work weiter: Selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Arbeiten, Sinnstiftung und Persönlichkeitsentwicklung am Arbeitsplatz und die Aspekte Flexibilität und Nachhaltigkeit im Umgang miteinander.
Aber dennoch darf und muss man genau in der Krise, dem Fenster zur Anpassung an eine neue Realität, als Führungspersönlichkeit die Sicherheit und damit den prosperierenden Bestand der gesamten Organisation vor die Interessen des Einzelnen stellen dürfen.
Wer dies als Führungskraft nicht tut, verschenkt mindestens eine Chance zur Anpassung und richtet vielleicht größeren Schaden an.
Auch Errungenschaften der Wertschätzung aus der Welt der Benefits „dürfen“ bzw. „müssen“ sogar in der Krise neu verhandelt und angepasst werden.
Es ist ok, wenn Menschen spüren, dass eine Krise eine Bedrohung für den Arbeitsplatz ist. Dieses Gefühl kennen vor allem jüngere Mitarbeiter, die nach der Finanzkrise 2008 in die Jobwelt eingestiegen sind, eigentlich nicht mehr. Das betrifft damit mehr als 30 Prozent der aktuellen Beschäftigten.
Ein letztes Argument mit Augenzwinkern
Wer sich als Führungskraft, Unternehmer, Gründer oder Manager bis hierhin immer noch nicht damit abfinden kann, seine Mannschaft mit Krisenstimmung und Krisenmaßnahmen auf eine neue Zeit einzustellen, dem sei mit einem Augenzwinkern eine weitere Begründung gegeben.
Da die Politik die Stimmung ja nicht verschlechtern will, müssen dies offensichtlich die Unternehmer und Manager übernehmen. Denn sonst geht diese Inflation nicht vorbei.
Wir haben uns im Westen in eine Lage gebracht, in der die Inflation nur noch mit einer Rezession bekämpft werden kann. Dazu muss bei uns allen die Stimmung und die Angst so groß werden, dass wir weniger kaufen und investieren.
Ohne dass wir in breiter Form Angst vor der Zukunft haben, werden wir diese Inflation mit ihrer Zerstörung unseres Wohlstandes nicht beenden können.
Solange die Mehrheit noch hofft, dass die Krise an einem selbst vorbeizieht, wird die Inflation und damit die wahre Krise weiter gehen.
Dazu passt der Spruch des früheren US-Präsidenten Harry S. Truman: „Es ist eine Rezession, wenn Dein Nachbar seinen Job verliert; es ist eine Depression, wenn Du Deinen eigenen Job verlierst.“Hoffen wir, dass wir als neunmalkluge informierte Wohlstandbürger die Zeichen klar so deuten: Nur wenn wir jetzt die physischen und emotionalen Phasen der Krise durchleben, wird es eine Rezession bleiben. Das ist die unbequeme Wahrheit für Unternehmer, Gründer und Manager.