Können Systemhäuser wirklich Managed-Services-Anbieter werden?

28. August 2024

Oder: Wie sieht die erfolgreiche Zukunft der Systemhäuser wirklich aus?

IT-Systemhäuser begleiten die Digitalisierung unserer Wirtschaft bereits seit fast 30 Jahren. Sie fungieren als zentraler Ansprechpartner für Server, Clients, systemnahe Software und Netzwerke; sie beraten, verkaufen und implementieren die neuesten IT-Systeme für kleinere Unternehmen, Mittelständler und Konzerne. Eine wichtige Frage ist: Wie sieht die Zukunft der Systemhäuser aus?

Langfristiger Ansprechpartner für das Technologiemanagement

Seit gut 30 Jahren stellen Systemhäuser die notwendige Infrastruktur zur Verfügung, die Unternehmen benötigen, um ihre IT sicher und effizient betreiben zu können. Dieses Dienstleistungsmodell und die Zusammenarbeit werden budgettechnisch und organisatorisch durch die unternehmenseigenen IT-Abteilungen betreut. Sie übernehmen die Querschnittsfunktion ihrer Fachbereiche und machen IT damit für den CEO händlebar. Zusätzlich sind Systemhäuser der Brückenkopf für Technologieanbieter. Sie bekommen über die Distribution oder in direkter Form über Systemhäuser Zugang zu ihren Kunden. Eine bedeutende Schnittstelle!

Systemhäuser sind durch diese Schnittstellenfunktion in der Regel über viele Jahre hinweg zentraler Ansprechpartner für sehr unterschiedliche Digitalisierungs-Technologien.
Technologien kommen und gehen, die Systemhäuser liefern als „vertrauter“ Dienstleister differenzierte und relevante Technologien und organisieren das Lifecycle-Management bestehend aus Beratung, Verkauf und Implementierung.

Systemhäuser sprechen mit den IT-Abteilungen

Ansprechpartner für Systemhäuser sind in der Regel IT-Abteilungen und der CEO des jeweiligen Unternehmens. Systemhäuser tun sich wegen ihrer klar technischen Ausrichtung schwer, zielgerichtet und effizient mit Fachabteilungen der Unternehmen zu kommunizieren, Geschäftsprozesse zu erfassen und die aus den Anforderungen des Unternehmens abgeleitete Software für die Steuerung von Geschäftsprozessen zu implementieren.

Wandel und Konstanten

Angefangen hat das Modell vor 30 Jahren transaktional mit dem Verkauf von Clients und Servern. Hinzu kamen dann das Datacenter-Geschäft und immer mehr auch das Consulting. Wurde Beratungsleistung verkauft, konnte diese über fast zwei Jahrzehnte ebenfalls transaktional pro Stunde abgerechnet werden.

Ein stetiger Strom von kleinen Technologiesprüngen bis hin zu revolutionär neuen Technologien wie das Internet, SaaS oder heute KI, führten auch zu steter Änderung in der Kundenbeziehung. Neue Projekte, neue Ziele der Digitalisierung, moderner Wandel – aber rudimentär hat sich der Kern des transaktionalen Geschäftsmodells nicht geändert.

Auch in der Cloud-Welt hat sich das Geschäftsmodell zwischen Kunden und Systemhäusern nicht fundamental geändert, denn auch Amazon und Microsoft verkaufen ihre Consumption-Modelle gerne über Systemhaus-Partner mit entsprechender Incentivierungslogik.

Parallel zur technischen Entwicklung haben die großen Systemhäuser schon vor 15 Jahren die Logistik professionalisiert und damit die Transaktionskosten durch eigene Lager und Service-Center deutlich verringern können. Über die vielen Jahre hat es leider jedoch nahezu kein Systemhaus geschafft, Leistungen direkt an Fachabteilungen, statt an die zentrale IT zu verkaufen.

Der heilige Systemhaus-Gral: Managed Services

Wie cool wäre es, wenn man den Kunden nicht immer wieder mit hohem vertrieblichem Aufwand von neuen Projekten überzeugen müsste. Wenn Monat für Monat eine Rechnung mit konstantem Umfang geschrieben werden könnte und ganz simpel geschaut würde, dass alles läuft.

Die Auslastung der Consultants als neugeborene „Ticketschubser“ würde auch kein Problem mehr darstellen. Und das Allerbeste: Der Unternehmenswert würde automatisch beträchtlich steigen, weil von Investoren für echte Recurring-Managed-Service-Geschäfte erheblich höhere Multiples auf den EBIT/EBITDA gezahlt würden.

Fakt ist jedoch: In den letzten zehn Jahren hat es kein Systemhaus so richtig gut und überzeugend hinbekommen, sein gesamtes Geschäftsmodell erfolgreich in diese Richtung zu transformieren.

Ursachen scheint es viele zu geben; einige sind:

  • Der Vertriebler, der dem Kunden über Jahrzehnte viele Produkte und Alternativen aus einem sehr breiten Portfolio anbieten konnte, mutiert mit Managed-Services zum Success-Manager. Er muss dem Kunden immer wieder neu erklären, warum der vor langer Zeit gebuchte Service immer noch der richtige ist.
  • Es entsteht ein faktischer Wettbewerb zum Buying-Center, der IT-Abteilung. Denn diese hat aus den Projekten und Produkten des Systemhauses über viele Jahre den Service für die Fachabteilungen gebaut.
  • Managed-Services haben meistens einen deutlichen Link zum Geschäft des Kunden. Damit möchten die Techis im tiefsten Herzen nichts zu tun haben.

Kann es ein Happy End geben?

Kann es also eine organische Weiterentwicklung des Geschäftsmodells “Systemhaus” zu von Investoren heute präferierten Modellen geben? Im Sinne einer Transformation vom Systemhaus zum Managed-Services-Anbieter: eher nein. Denn das Managed-Services-Geschäft kannibalisiert das klassische Systemhaus-Geschäft. Damit ist es insbesondere für große Organisationen enorm schwierig, eine solche Transformation umzusetzen.

Erschwerender Faktor in diesem Prozess ist, dass man wahrscheinlich einen Großteil des transaktionalen Geschäftes verliert. Ist es erstrebenswert, 40 oder vielleicht sogar 60 Prozent des Umsatzes zu verlieren, mit dem Ziel, für den verbleibenden Umsatz 30, anstatt bisher 10 Prozent Nettomarge zu erwirtschaften?

Ein weiteres Manko ist, dass man als Managed-Services-Anbieter nur im Pure-Cloud-Geschäft asset-los bleiben kann, also ohne Capex auskommen kann. Beim On-Prem Managed-Services-Geschäft werden Server und Netzwerkkomponenten – vielleicht gar Softwarelizenzen – auf die eigene Bilanz genommen. Das führt zu negativen Aspekten im Börsengeschäft und Diskussion mit den Banken.

Wer als Systemhaus versucht hat, sich über die Software-Implementierungs-Schiene beim Kunden in neue Felder vorzuwagen, hat es ebenfalls nicht leicht gehabt. Entscheidungen im Bereich der Business-Software hängen in der Regel an den Fachabteilungen, dem kundeninternen Reibungspartner, der IT-Abteilung des Kunden. Es offenbaren sich eine Menge Probleme.

Eine mögliche Lösung für Investoren und Consulting-Unternehmen

Für reine Consulting-Unternehmen ohne einen transaktionalen Ansatz ist die Weiterentwicklung zum Managed-Services-Anbieter deutlich einfacher:

  • Dort gibt es bereits Ideen zur Automatisierung von ähnlichen Aufgabenstellungen über Kundengrenzen hinweg. Das ist ein lebensnotwendiger DNA-Baustein für jeden Managed-Services-Anbieter.
  • Als Consultant ist die Distanz zur Diskussion um On-Prem, Hybrid und Cloud-only größer; eine neutralere Aufstellung ist möglich. Hier verbrennen eine Menge Systemhäuser ihre Glaubwürdigkeit bei Kunden, denn sie hängen meistens noch an Szenarien des On-Prem und singen daher das „Hybridlied“. Hybrid darf aber niemals das Ziel, sondern nur das notwendige Ergebnis sein!
  • Berater haben bessere Chancen, am Business (CEO, Fachabteilung) anzukoppeln und dennoch eine Brückenposition zur IT-Abteilung einzunehmen. Sie verbrennen daher weniger Energie an kundeninternen Machtkämpfen.
  • Das Verständnis des Kundengeschäftes ist heute so enorm wichtig, weil Kunden einen aktuell unstillbaren Bedarf an Daten-Management-Spezialisten haben. Das können die meisten transaktionalen Techniker nicht leisten, denn diese mussten in den vergangenen 20 Jahren nicht wissen, was die eigentliche Businesslösung beim Kunden genau umfasst. Consultants mit Erfahrung im Business-Prozess und Datenmanagement bieten ideale Voraussetzungen, um ein reines Tagessatz Consultinggeschäft in Richtung Managed-Services-Anbieter umzubauen.

Ich denke, dass dies der realistische Weg in Richtung Managed-Services sein wird, den wir immer mehr auch am Markt beobachten werden.

Der Prozess des Wandels für die Systemhäuser selbst

Das transaktionale IT-Systemhaus-Modell wird wahrscheinlich länger leben, als wir alle meinen. Aber klar ist: die Größe zählt!

Da bleibt für die vielen kleineren und mittelgroßen Systemhäuser eigentlich nur der eine Weg in Richtung Anpassung der Geschäftsprozesse. Und das bedeutet das Einlassen und Spezialisieren auf Branchenlösungen und Industrie-Komplett-Pakete. Damit einher geht auch ein umfassendes Verständnis vom Geschäft – was auch „Vollblut-Techis“ definitiv innehaben. Nur so kann auf Ebene des Systemhauses die dringend erforderliche Standardisierung und dann auch Automatisierung von IT-Prozessen erfolgen. Und genau das führt dann letztlich auch zu Managed-Services-Angeboten von Systemhäusern aus dem Inneren heraus.

Und wenn wir dann (endlich) einige dieser kleineren und mittleren faktisch branchenorientierten Managed-Services-Anbieter am Markt sehen, werden wir Konsolidierungswellen sehen!

Übrigens sind die heute größeren und großen börsennotierten Systemhäuser genau so entstanden: Über Konsolidierung von Technologie-Distributoren oder die Aggregation von vielen lokalen Anbietern.

Ich denke, dass es exakt in dieser Art und Weise wieder geschehen wird. Managed-Services-Anbieter müssen im Laufe der nahen Zukunft in einer Vielzahl und Vielfalt neu und klein entstehen und können dann wieder zu größeren Spielern aufgebaut werden.

Private Equity Investoren mit Branchenerfahrung können auf die Überholspur gehen und versuchen, einen Shortcut über den Umbau von Consulting-Unternehmen vorzunehmen.

Bild generiert mit ChatGPT
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