Warum Europas Reaktionen auf Trumps Kurs für Investoren entscheidend sind
In Deutschland und Teilen Europas herrscht ein klares Bild von Donald Trump: Er gilt als erratischer, impulsiver und wirtschaftspolitisch chaotischer Präsident, der vor allem intuitiv handelt. Ich halte diese Einschätzung für kurzsichtig, insbesondere wenn ich mir die erfahrenen Wirtschaftsexperten in seinem Umfeld anschaue, wie Scott Bessent, Howard Lutnick oder Kevin Hassett – von dieser Wirtschaftskompetenz können wir in Deutschland nur träumen.
Was, wenn sich hinter Trumps scheinbar unberechenbaren Schritten eine durchdachte wirtschaftspolitische Agenda verbirgt? Eine Strategie, die in ihrer Logik durchaus konsistent, aber eben auch hoch riskant ist – und deren Folgen weit über die USA hinausgehen könnten.
Trumps Wirtschaftsstrategie entschlüsselt
Wer sich von Trumps Twitter-Eskapaden und lauten Äußerungen nicht ablenken lässt und auf die Fakten blickt, erkennt schnell ein Muster:
- Zölle: Zollgebühren werden als Druckmittel genutzt, um bilaterale Deals zugunsten der USA zu erzwingen.
- Steuerpolitik: Trump hat nach seinem erneuten Amtsantritt 2025 klar gemacht, dass die USA aus internationalen Steuerabkommen aussteigen. Das globale Mindeststeuerprojekt (OECD Pillar 2) lehnt er ab. Ziel ist es, US-Konzernen maximalen Handlungsspielraum zu verschaffen und die Macht bei globalen Steuerfragen zu behalten.
- Inflation und Dollar: Trump nimmt eine Inflation wahrscheinlich bewusst in Kauf, um langfristig die realen Staatsschulden der USA zu reduzieren.
- Schutz der digitalen US-Vormachtstellung: Trump unterstützt Big Tech gegenüber den Angriffen z.B. in der EU
- Digitale Finanzordnung: Trump unterstützt dezentrale Finanztechnologien wie Stablecoins und Bitcoin, um den Dollar im digitalen Zeitalter zu stärken, ohne Zentralbanken (wie der Fed) zusätzliche Macht durch digitale Zentralbankwährungen (CBDCs) zu verleihen. Diese Maßnahmen dienen klar US-Interessen und sollen die wirtschaftliche Dominanz Amerikas sichern.
Das Zollargument – ein strategisches Ablenkungsmanöver?
Offiziell beklagt Trump unfaire Handelsdefizite mit der EU. Doch stimmen seine Argumente? Die reinen Waren-Handelszahlen bestätigen auf den ersten Blick seine Vorwürfe: 157 Mrd. Euro Handelsüberschuss der EU. Doch unter Berücksichtigung der Dienstleistungen (wie Software-Exporte der USA) sinkt das Defizit sofort auf nur noch 48 Mrd. Euro.
Hinzu kommen riesige Umsätze amerikanischer Tech-Konzerne wie Google (100 Mrd. Euro), Amazon (50 Mrd.) oder Meta (40 Mrd.), die steuerlich über Irland oder Luxemburg laufen. Statistisch gelten sie als innereuropäisch, faktisch fließen Gewinne aber in die USA. Trump nutzt also ein verzerrtes Narrativ für innenpolitische Zustimmung und außenpolitischen Druck.
Europa wehrt sich gegen die Dominanz von US Big Tech
Die EU reagiert auf die Dominanz von US-Konzernen keineswegs passiv, sondern mit gezielten Maßnahmen:
- Digital Services Taxes (DST): Diese Steuern zielen auf große US-Technologiekonzerne wie Google, Amazon und Meta, die bisher durch geschickte Gewinnverlagerungen kaum Steuern in Europa zahlten. DST soll diese Unternehmen dazu zwingen, Gewinne stärker dort zu versteuern, wo sie tatsächlich erwirtschaftet werden. Bisher wurden DST teilweise in Österreich und Frankreich eingeführt, in anderen Ländern aufgrund der OECD-Verhandlungen zurückgestellt.
- OECD Pillar 2: Diese globale Initiative einer Mindeststeuer von mindestens 15 % für multinationale Konzerne unterbindet effektiv aggressive Steuervermeidung. Seit Januar 2024 in Deutschland verbindlich eingeführt, zwingt sie Unternehmen, ihre Steuern dort zu zahlen, wo ihre wirtschaftlichen Aktivitäten tatsächlich stattfinden.
- BEFIT (Business in Europe: Framework for Income Taxation): Diese geplante Initiative sieht eine einheitliche Steuerbemessungsgrundlage innerhalb der EU vor. Gewinne multinationaler Konzerne sollen gerechter verteilt und proportional zur tatsächlichen Präsenz in Europa versteuert werden. Besonders betroffen wären bisherige Steuerschlupflöcher, etwa in Irland oder Luxemburg. BEFIT befindet sich noch in Verhandlung.
Zusätzlich hat die EU mit dem Digital Markets Act (DMA) und dem Digital Services Act (DSA) regulatorische Instrumente geschaffen, die gezielt die monopolartige Marktmacht großer amerikanischer Plattformen wie Google, Facebook und Apple beschränken sollen. Erste Verfahren gegen Google und Apple wurden bereits eingeleitet.
Mich beruhigt dieses in Teilen strategische Vorgehen der EU. Allerdings bezweifle ich, dass diese einzelnen Maßnahmen bereits zu einer wirklich kohärenten europäischen Gesamtstrategie verschmolzen sind. Die Gefahr besteht, dass Trump diese Schritte als direkten Angriff wahrnimmt und entsprechend heftig reagiert.
Arthur Steinmetz – warum Trumps Strategie scheitern könnte
Arthur Steinmetz, ehemaliger CEO des Investmentgiganten Oppenheimer Funds und renommierter Makro-Analyst, bringt einen entscheidenden Kritikpunkt an Trumps Wirtschaftsstrategie auf den Punkt: „Das Handelsdefizit ist kein Nachteil für die USA, sondern unser größtes Privileg. Wir zahlen mit selbstgedruckten Dollars, die andere Länder akzeptieren und uns als günstige Kredite über US-Staatsanleihen zurückgeben. Dieses ‚exorbitante Privileg‘ sollten wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.“
Steinmetz warnt eindringlich davor, dass die von Trump eingeleiteten Zollkonflikte und der bewusst oder unbewusst in Kauf genommene schwächere Dollar die Welt letztlich weg vom Dollar und hin zu anderen Währungen oder Zahlungssystemen treiben könnten. Damit droht den USA, langfristig genau das zu verlieren, was ihre Wirtschaft und geopolitische Macht so einzigartig macht: den globalen Status des Dollars.
Sollten China, Russland, die BRICS-Staaten oder sogar die EU ernsthaft Alternativen zum Dollar etablieren, würde das die US-Zinsen steigen lassen, Amerikas Fähigkeit zur günstigen Staatsverschuldung beeinträchtigen und am Ende massive volkswirtschaftliche Schäden nach sich ziehen.
Fazit: Strategie ja – aber enorm riskant
Wir sollten uns nicht von Trumps lautem Auftreten ablenken lassen. Meine persönliche Regel lautet: erst 72 Stunden warten und sorgfältig analysieren, bevor ich mir eine Meinung bilde. Trumps Wirtschaftsstrategie ist durchaus logisch und konsistent – aber ist sie wirklich klug aus Sicht der USA?
Amerika profitiert aktuell enorm von der bestehenden globalen Wirtschaftsordnung. Europas Gegenmaßnahmen sind nachvollziehbar, provozieren aber auch Reaktionen von Trump. Kurzfristig könnte Trump Erfolge erzielen, mittelfristig jedoch riskiert er, die wichtigsten Grundlagen der US-Wirtschaftsmacht zu beschädigen – mit fatalen Folgen für die Weltwirtschaft.
Für Investoren und Technologen heißt das: Jetzt auf Unsicherheiten, regulatorische Turbulenzen und neue Risiken einstellen – gleichzeitig entstehen aber enorme Chancen rund um digitale US-Technologien und innovative Finanzlösungen. Diese Chancen werden sich am besten direkt vor Ort in den USA identifizieren und nutzen lassen.
Aus europäischer Perspektive sollten wir deshalb jetzt gemeinsam und vorurteilsfrei diese Risiken und Potenziale gründlich analysieren, um frühzeitig und souverän agieren zu können. Wer sich nicht vom einseitigen Getöse europäischer Medien irritieren lässt, sondern tiefergehende Zusammenhänge versteht, wird langfristig wirtschaftlich erfolgreicher handeln können.