Warum Service-Geschäfte die Wert-Treiber von KI sein werden

4. Dezember 2024

Oder warum Investoren morgen in Service-Industrien investieren werden

Heute reden wir alle über KI, so wie wir im Jahr 2000 über „das Internet“ fantasiert haben. Aber was wird nach ein paar Jahren von all den Gedanken und Diskussionen übrigbleiben? Klar, die großen Modell-Anbieter werden irgendwie überleben. Ob sie enden werden, wie die ersten Netzwerkausrüster und Datacenter-Betreiber? Wir werden sehen. 

Aber welche neuen Giganten werden sich auf diesem neuen Fundament erheben? Was wird das neue Amazon oder Google der KI-Welt werden? Am besten starten wir mit einem kleinen Ausflug in das gerade etwas unsanft zu Ende gehende Industriezeitalter. 

Das Zeitalter der industriellen Massenproduktion – Überangebot an Supply

Mit Wissenschaft, Innovation und Ideen lernen wir Menschen, Technologien zu erfinden, mit denen wir etwas besser, schneller oder billiger machen können. 

Wenn wir es besser oder billiger herstellen können als ein eigentlich vergleichbares Produkt oder einen Service, dann haben wir eine höhere Nachfrage und mehr Menschen oder Unternehmen kaufen es. 

Mit Narrativen, Geschichten, Medien und Werbung lenken wir die Nachfrage – manchmal in die richtige Richtung, manchmal in die falsche. Diese Logik erzeugt Märkte, hoffentlich wachsende. Denn das treibt den Ausblick für Investoren auf mehr Kapital, für mehr Innovation und für noch geringere Preise.  

Das Dilemma der industriellen Massenproduktion ist, dass es nur kurze Glücksmomente der optimalen Auslastung von Produktionsketten gibt und durch die immer komplexeren Produkte Supply und Demand immer schwerer aufeinander abzustimmen sind. 

Wenn wir für ein neues Auto vier Jahre Entwicklungszeit, globale Märkte für den Absatz und eine maximale Modelldauer und damit Produktionszeit von vier Jahren haben, dann benötigen wir gigantische Kapitalmengen und gigantische potenzielle Absatzkanäle, um die erwarteten Stückkosten zu erreichen. 

Das Menschenbild im Zeitalter der industriellen Massenproduktion 

Der Mensch hat in diesem nun verblühenden Zeitalter der industriellen Massenproduktion den Status, das umzusetzen, was eine Maschine noch nicht machen kann. Dafür erhält er einen Lohn und wird bezahlt nach Stunde. Menschen nicht nach Zeit zu entgelten, empfinden wir als ungerecht. Zugrunde liegt das Konzept, die Menschen ein wenig gleicher zu machen. Wie produktiv ein Mensch ist, ist das Risiko des Unternehmens. Unternehmen versuchen daher, so wenig Menschen wie möglich einzusetzen. 

Für den Zeiteinsatz erhält der Mensch einen Lohn – von diesem Lohn kann er dann seinen Konsum bestreiten. Lange Zeit hat es funktioniert, dass wir 2/3 der freien Zeit (ohne schlafen) arbeiten und 1/3 konsumieren (Essen, Kino, Lesen). Es fühlt sich schnell ein wenig nach Hamsterrad an. Das lässt sich auch mit Purpose, guter Führung oder der 4-Tage-Woche nicht ändern. Neid macht das Problem noch schlimmer. 

Was passiert mit dem Menschen im KI-Zeitalter? 

Natürlich: Ich weiß es nicht. Aber ein paar Fragen ergeben sich dennoch schnell: 

  • Was passiert mit uns Menschen, wenn die von uns bisher leidenschaftlich konsumierten Produkte wie Autos, Spiele oder Handys komplett von Maschinen hergestellt werden können? 
  • Wofür bekommt der Mensch dann noch einen Lohn, wenn er gefühlt nicht mehr arbeiten muss, um etwas von Wert herzustellen? 
  • Bekommen wir noch Geld für das Erzählen von Geschichten (Youtuber)? 
  • Bekommen wir noch Geld für die kreative Leistung eines neuen Produktes? 
  • Aber brauchen wir das alles dann wirklich noch? 
  • Und vor allem: Was nutzen uns Produkte und Services, die Zeitersparnis generieren, wenn wir doch nicht mehr arbeiten müssen? 

Solange wir mit den erprobten Modellen der Massenproduktion auf die KI-Entwicklungen schauen, kann man ganz schön unruhig werden. Aber was ist, wenn wir mit der einseitigen Optimierung des Supply, also der möglichst effizienten Herstellung von Waren, einfach nicht unsere menschlichen Grundbedürfnisse gestillt haben? 

Denn unsere Bedürfnisse sind in der Regel Services. Aber diese Services benötigen preiswerte Produkte. In der heutigen Welt finden wir in den Services in der Regel keine Balance zwischen Supply und Demand. Wir schieben vielmehr das Risiko der Auslastung der für den Service benötigten Produkte einseitig zum Verbraucher. 

Service-Industrien als Wegbereiter einer neuen Balance 

Wir brauchen eigentlich keine Autos, wir wollen Mobilität. Wir wollen uns möglichst schnell oder bequem von A nach B bewegen. Ok, die Marke und der Fahrzeugtyp sind für einige Menschen hochemotionale Statusobjekte, über die sie ihren Anspruch auf Status kommunizieren können. Aber das ist ein anderes Feld. 

Also, was sind die großen Service-Industrien? 

  • Lebensführung mit Haushalt, Wäsche und Reinigung, aber auch Essen mit Supermärkten, Küchengeräten und/oder Restaurants 
  • Immobilien mit Bauwirtschaft, Mieten, Kaufen für Industrie, Gewerbe und Wohnen 
  • Mobilität mit Autos, Bussen, Schiffen und Taxifahrern, Busfahrern, Zugführern sowie Piloten und dem ganzen Servicepersonal auf Flughäfen, Bahnhöfen und Werkstätten 
  • Pflege und Gesundheitswesen mit dem neuen Bereich Longevity 
  • Freizeit mit Urlaub, Hotel, Freizeitpark, Pub/Kneipe 
  • Bildung oder besser Vorbereitung und Anpassung für unsere Lebensrealität und Teilhabe an Gesellschaft mit Schule, Ausbildung, Universität, Weiterbildung 

Wenn wir Service-Industrien neu denken und begreifen, dann sind Services nicht mehr die immer etwas teurere Alternative für den Verbraucher, um ein Produkt zu konsumieren, sondern eine neu gedachte Steuerung von Demand und Supply! 

Kennen wir schon, hatten wir schon: Plattform-Modelle 

Ok, hört sich bekannt an. XaaS, also alles als Service. Kennen wir schon: Uber, Spotify oder myHammer. Nein. 

Spotify, Google oder Netlix sind einfach nur Distributionsmodelle, um digitale Dienstleistungen mit dem Geschäftsmodell der Plattform-Ökonomie zu betreiben. Damit haben wir gelernt, digitale Infrastrukturen mit weltweitem Scale aufzubauen. 

MyHammer und Uber sorgen als Plattformgeschäftsmodelle nur teilweise für den Ausgleich von Supply und Demand. Sie verschieben vielmehr im Falle von Uber, Lyft und Co die Risiken vom Verbraucher weg hin zum Service-Anbieter. Und der Plattform-Anbieter gewinnt scheinbar immer. 

Wir haben große Konzerne aufgebaut, erstmal Werte geschaffen und gedacht, dass die Plattform-Ökonomie das Nonplusultra und das maximale Ende an möglicher Wertschöpfung ist. 

Nein, das sind nicht die zukünftigen Service-Industrien, von denen ich spreche. 

Wo geht es los? Aber wird es nicht enden? 

Echte erste Ansätze von intelligenten Service-Industrien sehe ich in Unternehmen wie Flixbus oder Enpal und 1komma5. Was? Im Ernst? Ja. 

Das Full Leasing eines Autos mit Versicherung, Winterreifen und Werkstatt- Fullservice sieht wie ein Anfang aus, aber belässt das komplette Auslastungsrisiko beim Kunden. Das ist ein wenig Service verpackt um das bestehende, auf Supply orientierte Modell. 

Flixbus ist nach außen langweilig und nicht spannend. Was sie wirklich machen, ist eigentlich unvorstellbar. Sie bauen ein Langstrecken-Bus-Netz in mehr als halb Europa und Teilen der USA auf und schaffen es, die Busse über ihre Demand-Steuerung voll zu bekommen. Das schafft man nur mit viel Technologie und operativer Exzellenz, sowie mit direktem und eigenem Draht zum Kunden. Die Investoren finden das alles noch nicht so richtig spannend. Nicht Asset Light, schwieriger Markt. Klar, damit man da mal Margen realisieren kann und die Preise anheben kann, braucht man noch viel mehr Größe. Ist auch nicht so spannend wie Space X oder OpenAI. Aber es zeigt den Weg. 

Was sind Enpal oder 1komma5? Handwerker Plattformen? Energielieferanten? Finanzierer? Technologie-Anbieter für Heimautomatisierung? Für einige Investoren noch uninteressante Gemischtwarenläden, die man nicht richtig einordnen kann. 

Auch hier braucht man operative Exzellenz in vielen Bereichen, Technologie-Verständnis und eine gute und intakte direkte Kundenbeziehung zum Servicenehmer, damit das Modell über viele Jahre funktionieren kann. 

Service-Welten – Geht es auch was kleiner und weniger risikoreich? 

Es gibt heute eine ganze Menge Service-Geschäfte, die alle benötigen, die aber nicht Kern der zentralen Wertschöpfung in den Prozessen der heute üblichen Produkte und Services sind. 

Das sind z.B. 

  • Call- und Service-Center, die nicht vollständig in die Gesamtprozesse der Unternehmen eingebunden sind und daher bei „Make-or-Buy“-Entscheidungen in den letzten Jahren von den Unternehmensberatern outgesourct wurden. 
  • Oder IT-Managed-Services, die sich in den letzten Jahren großer Beliebtheit erfreut haben, weil sie nicht zur originären Wertschöpfung der Unternehmen beigetragen haben, aber dennoch wegen des Mangels an Fachkräften im IT-Bereich schwer zu besetzen waren. 
  • Nicht zu vergessen die vielen Compliance- und Bürokratie-Dienstleister, wie z.B. im ESG-Umfeld, die helfen, die Häkchen zu setzen, die wir Menschen uns vorher überlegt haben, um die Welt auf dem Papier zu verbessern, ohne einen Effekt auf die Realität zu haben. 

Ich denke, wir werden hier die ersten Konsolidierungswellen sehen, bei denen Anbieter mit einem klaren und eigenen Tech-Stack deutliche Vorteile gegenüber den reinen von Menschen getriebenen Modellen erringen werden. 

Fazit – KI und Technologie werden Service-Industrien neu definieren 

Wir müssen und werden Service-Industrien neudenken. Wir werden uns weg bewegen von der einseitigen Optimierung der Produktion von Produkten, die dann danach und von irgendwem ver-serviced werden. 

Die Welt ist für Verbraucher so komplex geworden, dass wir nicht mehr alle Serviceketten selbst organisiert bekommen oder es einfach nicht mehr wollen. Aber die durch neue Technologien getriebenen Servicemodelle müssen Supply und Demand wirklich neu organisieren und dürfen die Risiken nicht einfach auf eine Seite schieben. Nur so können sie einen echten Mehrwert liefern. 

Und wenn Investoren diesen neuen Mehrwert begreifen, dann könnten solche Servicemodelle langsam aber sicher vom Geheimtipp zum neuen Hype werden. Und dann werden wir auch einen knackigen neuen Namen dafür haben. Ich bin gespannt. 

Bild generiert mit ChatGPT
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