Was der Wandel des US-Geschäftsmodells für Deutschland bedeutet
Der Wandel und die Umbrüche sind in den Gesellschaften in Deutschland, Europa und den USA spürbar und sichtbar. Mein Eindruck ist, dass wir uns in den meisten Diskussionen zu diesem Thema die Erklärungen zu einfach machen. Ich möchte daher die Perspektive auf die sehr tiefgreifende Änderung des vorherrschenden Welt-Geschäftsmodells als Treiber für die vielen Jahre der Globalisierung lenken.
Mit meiner aktuellen Perspektive aus den USA erlebe ich täglich, wie radikal Regierungen, Wissenschaft und Unternehmen das US-Geschäftsmodell neu erfinden. KI, Daten und Nachfrage-Steuerung sind die neuen Hebel – und die Geschwindigkeit dieser Transformation ist atemberaubend. Deutschland fehlt der Innovationsdruck, die Geschlossenheit und der Pragmatismus. Während in den USA gehandelt wird, diskutieren wir noch. Aber noch viel schlimmer und grundsätzlicher ist es, dass Deutschland ein gemeinsames Verständnis der Situation und damit auch eine geschlossene Richtung in Form einer Strategie komplett fehlt. Warum gibt es in Deutschland keine echten Strategen mit einer Stimme?
Das Ende von zentralem Economies of Scale
Die vergangenen fünf Jahrzehnte lebten von einem klaren Modell: Die USA schufen mit Technologie und ihrem konsumorientierten Binnenmarkt eine unersättliche Nachfrage – Deutschland bediente sie mit den Maschinen “made in Germany” zur präzisen Massenproduktion. Beide Geschäftsmodelle waren komplementär und basierten auf einem Prinzip: der Economy of Scale. Das Ziel war klar: Immer mehr Produkte für immer größere Märkte, effizienter, billiger und in Massen produziert.
Doch diese Ära ist vorbei. Die Idee, dass Wachstum durch Skalierung von physischen Produkten entsteht, verliert ihre Gültigkeit. Die USA haben das erkannt – Deutschland noch nicht. In keinem Unternehmerkreis und keiner Investorenrunde wird darüber diskutiert, geschweige denn in der Politik. Heute verschiebt sich der Fokus von der Angebots- zur Nachfragesteuerung. Nicht mehr das immer preiswertere physische Produkt ist wesentlich, sondern der Zugang zu Plattformen, Daten und digitalen Services. In dieser neuen Logik liegt die Macht bei denjenigen, die die Nachfrage steuern – nicht mehr bei denen, die die Produktion optimieren.
Aus deutscher Perspektive steht Trumps Politik vor allem für Chaos und Provokation. Doch hinter Handelszöllen, protektionistischen Maßnahmen und der Rückholung der Produktion in die USA steckt eine klare Strategie: Das neue US-Geschäftsmodell soll die Kontrolle über die Nachfrage sichern – und damit die Macht über globale Märkte. Das erklärt, warum die USA ihre Abhängigkeit von China und Asien bereits abbauen und ihre Energiepolitik neu ausrichten. Die USA sind in Zukunft nicht mehr auf immer preiswertere Produkte und Energie aus anderen Erdteilen angewiesen.
Aber: Was bedeutet das für Deutschland? Unser Geschäftsmodell ist auf Exporte von Maschinen zur Optimierung von physischen Gütern angewiesen – aber eine datengetriebene Welt mit lokaler Produktion braucht weniger Containerschiffe und sichere Handelsrouten. Sie braucht Cloud-Infrastrukturen. Das US-Geschäftsmodell wird zum einseitigen Blueprint der Weltwirtschaft, während Deutschland noch immer an den Tugenden der maschinengetriebenen Ingenieurskunst und Effizienz festhält. Aber in einer KI-gesteuerten Welt sind Effizienzgewinne in zentralisierten Produktions-Umgebungen notwendig, aber nicht hinreichend relevant. Denn entscheidend ist die Fähigkeit, die Nachfrage zu steuern. Nur so kann Wohlstand erhalten und geschaffen werden. Deutschland steht an einer Weggabelung: Entweder verstehen wir diese neue Logik, oder wir werden von den Plattformen der USA und China gesteuert. Wann kommt die Erkenntnis, die zur Einsicht, zu Veränderung führen kann?w und menschliches Urteilsvermögen. Außerdem sind viele KI-Systeme eine „Black Box“: Ihre Entscheidungen sind oft nicht nachvollziehbar und können in kritischen Situationen zu Vertrauensverlust führen.
50 Jahre US-DE-Symbiose sind vorbei
Die Geschäftsmodelle der USA und Deutschlands waren in ihrer Unterschiedlichkeit komplementär. Und genau das machte sie im Supply-getriebenen Industriezeitalter so erfolgreich.
Während die USA Innovationen in Technologie und Plattformen vorantrieben, die Skaleneffekte erst möglich machten, sorgte Deutschland mit seiner präzisen Massenproduktion für die physischen Güter, die diese Innovationen nutzten und global handelbar machten. Eine perfekte Symbiose.
Doch das eigentliche Erfolgsgeheimnis lag nicht nur in der Produktion, sondern in der Nachfrage. Die USA trieben mit ihrem riesigen Binnenmarkt und ihrer konsumfreudigen Gesellschaft die globale Nachfrage an. Wie sah es in der Praxis aus? Billige Produktion im Ausland, technologische Führung im Inland – diese Kombination machte das US-Geschäftsmodell unschlagbar. Die USA lieferten die Konsumenten für die durch Massenproduktion hinreichend preiswerten Produkte.
Auch geopolitisch spielten die USA clever. Der US-Dollar als Leitwährung und Freihandelsabkommen sicherte den globalen Einfluss. Produktionsstätten in Asien, kombiniert mit US-Technologien und einem globalen Vertriebsnetz, machten die USA zu Drehscheibe und Aufpasser der Weltwirtschaft. Das führte zu einer vielerorts kritischen Einstellung gegenüber den USA.
Doch dieses Modell wird nun erneuert. Energieautarkie und KI-gesteuerte Märkte verändern die Spielregeln. Die USA sichern in Zukunft keine weltweiten Handelsrouten mehr, weil sie keine fossilen Energieimporte mehr brauchen und die Abhängigkeit von asiatischen Lieferketten konsequent abbauen. Das neue Ziel: Kontrolle über Nachfrage, Plattformen und Daten. Weltweit. Mit der Kontrolle über die Datenflüsse ihrer Cloudanbieter kontrollieren sie faktisch auch die Warenflüsse weltweit.
Deutschland war damit mehr mit dem US-Welt-Modell verbunden als mit Europa. Die Wiedervereinigung, der Euro, die Expansion der EU und dann die Verträge für russisches Gas haben uns abgelenkt und vergessen lassen, worauf unser Geschäftsmodell tatsächlich beruht. Deutschland hat jahrzehntelang geträumt und die Realität nicht begriffen.
Die bittere Wahrheit: Unser Geschäftsmodell ist gebrochen und wird auch nicht wiederkommen (können). Die Nachfrage werden wir nicht steuern können. Ganz sicher. Diese Macht liegt bei Plattformen und Daten-Infrastrukturen, die fest in US-amerikanischer Hand sind.
Doch es gibt einen anderen Weg! Unsere Stärke liegt im Engineering. Statt auf einseitige inkrementelle Effizienzsteigerung im alten System zu setzen, müssen wir das Modell der dezentralen Produktion neu vorantreiben. Weltweit vernetzte Produktionsstätten, die Economies of Scale in die dezentrale Welt übertragen anstatt zentraler Massenproduktion. Aber darüber spricht in Deutschland niemand. Verbünde von Mittelständlern, die groß, integriert und vernetzt denken – anstatt in familiengeführter Autarkie und damit Isolation. Weltmarktführer in Nischen bringen uns in der neuen vernetzen Welt nicht weiter.
Die bittere Realität: die USA hat eine Strategie – Deutschland nicht
Was heißt das konkret? Die USA, so erleben wir gerade, bleiben der weltweite Taktgeber. Egal ob mit oder ohne uns: Sie nutzen Deregulierung und datengetriebene Innovation, um die Spielregeln neu zu schreiben – schneller, flexibler und mit Fokus auf die digitale Wertschöpfung. Dazu die neue Wunderwaffe KI, höhere Zölle und die Entbürokratisierung der US-Wirtschaft.
Ihre Energiepolitik macht sie unabhängig von fossilen Importen. Ihre Plattformen kontrollieren die globalen Datenströme. Ihre Unternehmen beherrschen datengetriebene Geschäftsmodelle, die in Echtzeit auf Konsumverhalten reagieren und es über Social-Media-Plattformen auch formen.
Zugleich destabilisieren höhere Zölle globale Lieferketten und zwingen Unternehmen zur Regionalisierung. Vereinfachte Genehmigungsverfahren und niedrigere Auflagen machen die USA attraktiv für die Rückverlagerung kritischer Produktionsprozesse wie der Halbleiterherstellung. Dies stärkt die Wettbewerbsfähigkeit und reduziert die Abhängigkeit von asiatischen Lieferketten.
Die USA treiben damit die Welt in digitale Servicewelten. Wachstum wird weltweit nicht mehr über Produktion und höhere Effizienz in der Produktion funktionieren. Die bittere Wahrheit: Was wir in Deutschland können, wird reichen, um noch ein paar Jahre im Bereich Maschinenbau und Robotik mitspielen zu können. Damit werden wir unseren Wohlstand aber nicht halten können.
Das gesamte Wachstum und die Produktivitätssteigerung, beides zusammen die wesentlichen Faktoren für die Entwicklung von Wohlstand, wird vor allem aus der Kontrolle der Datenflüsse und Steuerung von Services gewonnen. Uneingeschränkt in der Hoheit von US-Unternehmen. Damit bestimmen die Unternehmen, wie und wo physische Produkte konsumiert werden.
China und Russland haben erkannt, dass Destabilisierung der anderen Seite und datentechnische Abschottung gegen die US-Übermacht ihre einzige Chance ist.
Wir Deutschen sind im alten Modell gefangen und müssen uns entscheiden, an wessen Seite wir in den nächsten 20 Jahren kooperieren und zusammenarbeiten wollen.
Die Welt braucht keinen ungehinderten Warenfluss mehr, solange die Daten ungehindert fließen können – und dafür haben wir gesorgt. Kein Auto, keine Nachrichtensendung, keine Maschinenbaufirma läuft heute ohne US-IT-Infrastruktur. Zumindest bei uns im Westen. Die Option zur europäischen oder deutschen Daten-Souveränität haben wir bereits vor mehr als zehn Jahren verspielt. Es ist heute albern, daran etwas ändern zu wollen und schwächt letztlich unsere verbleibenden Kräfte.
Deutschland und Europa, so wie der Rest der Welt, müssen sich neu einordnen in diesem zukünftigen System und der geopolitischen Realität.
Warum Korrekturen nicht ausreichen: Deutschland braucht einen Neustart
Kennen wir alle die Realität? Deutschland steht vor dem wahrscheinlich letzten möglichen Wendepunkt. Während die USA durch Deregulierung und KI-basierte Geschäftsmodelle ihre Innovationszyklen verkürzen, steckt Deutschland in einem Netz aus Bürokratie, langsamen Prozessen und überholten Gewissheiten fest. Unsere alte Stärke – die Optimierung der physischen Produktion – verliert an Relevanz, weil Software, Automatisierung und Plattformen die Wertschöpfung übernehmen.
Wir müssen uns eingestehen, dass uns die Fehler der letzten 20 Jahre einholen: Eine verfehlte Energiepolitik mit hohen Preisen hat zur Deindustrialisierung geführt. Die Migrationspolitik hat auf Quantität statt Qualität gesetzt – Ergebnis: Deutschland ist das Schlusslicht bei Bildung und Produktivität in der Peergroup früher erfolgreicher Industriestaaten (G7, G8). Gleichzeitig bedrohen neue Zölle und geopolitische Blockbildung unser exportorientiertes Modell, das von freien Märkten lebt.
Aber das ist nur die halbe Wahrheit: Selbst, wenn Deutschland alle Fehler beseitigt, reicht das nicht, um wieder auf Kurs zu kommen. Und genau dieser Punkt ist anders als bei allen anderen Krisen in den letzten 20 Jahren. Das Kernmodell der deutschen Wirtschaft funktioniert einfach nicht mehr. Die bittere Wahrheit: die Organisation von Effizienz und Produktions-Skaleneffekten bringen keinen Vorsprung mehr.
Deutschland braucht einen Neustart – eine Neuausrichtung auf datengetriebene Geschäftsmodelle, lokale Nachfrage-Steuerung und agile, vernetzte Produktionssysteme. Ohne diesen Kurswechsel bleibt Deutschland Getriebener der digitalen Plattformen – und nicht Gestalter einer positiven Zukunft.
Initiative zum Aufbau neuer realistischer Optionen
Nur mit einer harten Transformation wird Deutschland eine Chance haben, einen sicheren Platz in dieser veränderten und sich verändernden Welt zu finden. Das geht aber nur mit einem klaren Bekenntnis zur westlichen Welt, fokussierter Nutzung unserer noch vorhandenen Innovationskraft und einem neuen Bekenntnis zur Leistung. Auch Deutschland muss das Thema Entbürokratisierung in entschiedener Form angehen. Neben diesen Mindset Basics sind klare inhaltliche Programme erforderlich. Denn Politik, Unternehmen und Gesellschaft müssen gemeinsam an folgenden Fakten arbeiten:
- Transatlantische Kooperation in der vernetzten Industrieproduktion: Lokalisierte, vernetzte Fabriken: Deutschland kann seine noch vorhandene industrielle Stärke nutzen und die Digitalisierung von Fabriken nach vorne bringen. Diese Fabriken produzieren dann dezentral lokal, aber werden vernetzt betrieben und transformieren „Economies of Scale“. Von zentral nach dezentral. Deutschland kann und muss sich zum Vorreiter dieser Entwicklung machen.
- Fokus auf Robotik und Automatisierung zur Förderung lokaler Fertigung: Robotiklösungen für die westlichen Industrien: Deutschland kann seine Expertise in Robotik und Automatisierung einsetzen, um den USA und anderen Partnerländern Technologien bereitzustellen, die lokale Fertigung ohne Abhängigkeit von preiswerten Arbeitskräften ermöglichen.
- Geopolitische Neuausrichtung: Klare Positionierung Deutschlands als enger Verbündeter der USA, um gemeinsame Werte und Interessen zu betonen und die Zusammenarbeit in Schlüsselbereichen zu stärken. Alignment bei Sicherheitsfragen, klare Partnerschaften und Allianzen mit US-Unternehmen und -Institutionen, um gemeinsame Geschäftsmodelle und Marktstrategien zu entwickeln. Hinzu kommt die Fokussierung der EU-Aktivitäten auf ein schlagkräftiges und entscheidungsfähiges Kerneuropa plus Schaffung eines wirklich einheitlichen Marktes und Rechtsraumes.
- Klare Talent- und Leistungsförderung: Anpassung der Migrationspolitik auf die Aufnahme der besten und leistungsfähigsten jungen Menschen, die gemeinsam Deutschland weiter entwickeln wollen.
Deutschland hat einen Anspruch sozial zu sein. Damit dieser Anspruch nicht in Beliebigkeit versinkt, müssen wir die Leistung eines jeden einzelnen wieder anerkennen und fördern. Soziale Gerechtigkeit ist nur so erlebbar!
Mit einer solchen Strategie und einer konsequenten Umsetzung kann Deutschland hoffentlich nochmal zurückkommen. Klare Strategie und gemeinsame Umsetzung sind für Deutschland bisher nicht erprobte Muster. Transformation, Zeitenwende – alles abgedroschene Phrasen.
Ich werde meine Energie darauf verwenden, diesen Aufbruch aktiv mitzugestalten – als Impulsgeber, Partner und Supporter. Schaffen wir es daraus eine Bewegung zu machen und die Weichen endlich neu zu stellen?