Wird KI zu neuen digitalen Monopolen führen?

31. Juli 2024

Oder steuert uns KI zu fragmentierten, effizienteren Märkten?

VC- und PE-Investoren und auch Börsen-Analysten setzen und wetten in vielfältiger Form auf Unternehmen, die durch den Einsatz von KI für ihr Geschäftsmodell schmücken. Aber werden wir wirklich viele neue KI-Stars am Investment-Himmel sehen?

KI wird als Technologie gefeiert, die unsere Welt verändern wird. Sie ermöglicht völlig neue Benutzer-Interaktionen über natürliche Sprache oder über Chats. KI schafft den Raum für eine revolutionäre Form der Robotik, weil Maschinen in Zukunft als Cobots mehr mit Menschen zusammenarbeiten können. Dies wird die bisherige kleinschrittige Programmierung von Handlungen für Maschinen und Roboter massiv vereinfachen und vollkommen neue Anwendungsgebiete schaffen.

Ja – KI wird in vielen Branchen zu massiven Umbrüchen führen und unser Leben als Menschen an vielen Stellen beeinflussen. Aber wird dies auch zu völlig neuen KI-Konzernen führen, die ähnlich wie die heutigen Digitalkonzerne à la Meta, Google, Microsoft oder Apple die digitale Welt beherrschen? Werden wir neue Player in diesem Feld sehen, die vielleicht auch aus anderen Ländern stammen? Welche Chancen und Möglichkeiten haben China oder Europa im Bereich der KI-Konzerne? Um diesen Fragen eine mögliche Antwort zu geben, müssen wir zuerst einen genaueren Blick auf die aktuelle Situation werfen.

Die neuen globalen KI-Player sind schon da

Den neuen KI-Giganten sieht man das Thema KI nicht an. Es sind eigentlich bekannte Geschäftsmodelle, die KI in neuer Form nutzen und damit Erfolg haben. Sie heißen z.B. TikTok oder TEMU und sind in der Lage, jeden Nutzer mit wenigen Like-Interaktionen zu vermessen und Eigenheiten zu klassifizieren. Sie kennen uns und unsere Vorlieben nach wenigen Tagen besser als wir uns selbst kennen. Sie nutzen ihre KI-Modelle, um uns Waren zu verkaufen, die wir nicht brauchen aber gefühlt schon immer haben wollten.

Groß können solche neuen Player über neue Consumer-orientierte Geschäftsmodelle werden. Aber sie können auch nur groß werden, wenn wir es zulassen. Es ist also an uns, Regeln als Gesellschaft aufzustellen, die eine direkte Nutzung von KI gegen unsere Interessen einschränkt.

Content-Geschäftsmodelle werden als erstes verändert

In einer ersten Welle werden wir vor allem große Veränderungen bei Content-getriebenen Geschäftsmodellen sehen.

Es geht nicht nur um Posts auf Social-Media-Plattformen. Es geht um Bildungsinhalte, Tutorien, Filme, Bücher, Zeitungen, Magazine und Fotos – alles, was sich aus Output von Menschen durch maschinelles Lernen erzeugen lässt.

Und klar ist auch: Ein gut gemachter Lernkurs für eine technische Aufgabenstellung wird in Zukunft nicht schlechter sein, sonden wahrscheinlich sogar besser als ein Kurs, der bisher von Menschen erstellt wurde.

Die ableitbare Frage für die nächsten Jahre wird sein: Wie wollen wir als Menschen unsere Selbstbestimmung und letztlich Würde behalten und dafür sorgen, dass wir nicht mehr und mehr die Kontrolle darüber verlieren, dass immer weitere Teile unserer Aufmerksamkeit – und damit von unserem Bewusstsein – von Maschinen kontrolliert und realistisch damit auch manipuliert werden?

Ob hieraus wirklich neue und große KI-getriebene Content-Geschäftsmodelle mit Monopol-Charakter entstehen, wird also vor allem davon abhängen, ob wir dies zulassen wollen und werden. Die Entwicklung in den USA zeigt, dass sich auch hier Widerstand gegen die in der Digital-Era entstandenen Monopolisten regt.

Ganz vielleicht werden sich neue Bereiche mit bezahlten Services für heute kostenlose Dienste wie Suchdienste und Social-Media entwickeln.

Die Transformation der digitalen Monopolisten zu KI-Aggregatoren

Apple, Microsoft, Google und Meta – alle großen Techgiganten sind „all in” beim Thema KI. Sie wollen ihre digitalen Monopole in das KI-Zeitalter retten. Und sie haben die besten Chancen, nicht von neuen Anbietern disruptiert zu werden, weil sie schon auf riesigen Datenmengen sitzen, die die Voraussetzungen für die KI-Modelle der Zukunft sind.

Am klarsten erkennbar ist die Strategie von Apple, die uns als Benutzer mit IOS18 langsam aber sicher an die neuen Möglichkeiten personalisierter KI heranführen wollen. KI soll unsichtbar bleiben, den Wert der Geräte erhöhen und uns noch tiefer in das Apple-Ökosystem hineinziehen. Möglichst ohne großen Aufschrei, aber auch am besten ohne Warnung.

Microsoft will und wird über Ihre Software-Stacks und Azure-Consumption an allem verdienen, was wir oder unsere Unternehmen mit Daten machen, um KI-Modelle zu nutzen. Sie werden an jeder neuen Branche, die erst digitalisiert und dann KI-siert wird mitverdienen und die Hand aufhalten.

Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die KI-Modell-Anbieter enden, wie die Data-Center und Telekommunikations-Anbieter der ersten Stunde in den 2000er Jahren. Overhyped – und als gefallene Engel.

Die heute schon großen Digital-Unternehmen, werden ihre Marktmacht mit ins KI-Zeitalter nehmen. Vielleicht schafft auch ein neuer Anbieter wie Snowflake oder ein Techanbieter für Datenintegration den Sprung in die neue KI-Era.

Und die anderen Industrien?

Die bestehenden Industrien werden als faktisch getriebene die neuen KI-Möglichkeiten in ihre Services und Produkte einbauen müssen. Ein riesiges Transformations-Unterfangen bei dem eine Menge Anbieter auf der Strecke bleiben können.

Wir alle werden die Tech-Stacks der großen US-Anbieter nutzen und diese Unternehmen größer und stärker machen. Der Raum für digitale Souveränität wird kleiner werden.

Was können wir daraus für B2B-Modelle ableiten?

These 1: Die großen US-Tech-Giganten werden ihre Marktmacht im KI-Zeitalter nicht nur verteidigen, sondern ausbauen können.

These 2: Unsere bisher nicht digitalen physischen Geschäftsmodelle wie Mobilität, Wohnen, Industrie und Maschinenbau werden durch KI digitalisiert und wir werden von unseren Margen wieder etwas mehr an die großen US-Tech-Firmen abgeben müssen.

These 3: Unser Anlagenbau und Maschinenbau wird roboterisiert. Hier haben wir durchaus Chancen, größere Unternehmen aufzubauen. Aber sobald es um das Thema Software und digitale Services geht, werden sich US-Unternehmen Teile aus unseren Modellen herausschneiden.

Was können wir daraus für Consumer-Märkte ableiten?

These 4: die kostenlosen Consumer-Aggregator-Modelle von Google und Meta werden vor allem von Menschen ohne Geld genutzt werden müssen. Für Menschen, die es sich leisten können, werden sich neue Vertrauensmodelle etablieren, die Content klassifizieren und bewerten.

These 5: Märkte mit physischer Interaktion mit unseren Körpern werden bestehen bleiben und wichtiger werden. Hierzu gehören Mobilität und alles, was mit realer Interaktion zwischen Menschen wie Reisen, Konzerte und Essen zusammenhängt.

These 6: All diese physischen Märkte werden angegriffen durch AR, VR und andere digitale Technologien und Modelle. Beispielhaft kann man sich das an den aktuellen virtuellen Konzerten vergegenwärtigen, die es parallel zu weiterhin stattfindenden realen Konzerten gibt und geben wird).

These 7: Was Luxus, Hip oder „In“ ist, wird in immer kleineren Communities definiert und modischen Zyklen unterworfen sein. Damit wird die Welt fragmentierter und immer schwerer nach klaren Regeln erklärbar sein. Die Ambiguität wird deutlich zunehmen und Unsicherheiten für jedes Individuum erhöhen.

These 8: Der Preis für uns Konsumenten wird Community-spezifisch. Die Beimessung und Ermittlung von Wert und damit der Preis von physischen und digitalen Waren und Services wird durch unser soziales Umfeld bestimmt. Auch hier lässt sich durch das Konzert-Beispiel veranschaulichen: Menschen, die sich ein reales Konzert nicht leisten können, haben durch virtuelle Konzerte die Möglichkeit, dennoch teilzunehmen.

Das sind natürlich wilde Thesen – und es wird wahrscheinlich ganz anders kommen. Aber um den Einfluss von KI auf unsere Zukunft zu verstehen, ist ein Aspekt entscheidend: Die Rolle der Menschheit selbst.

Unsere Zukunft mit KI

Im B2B-Umfeld wird KI als neue Technologie Einzug halten und damit zu einem weiteren Baustein der Digitalisierung der Welt.

In Consumer-Märkten ist es komplizierter und grundsätzlicher. Die wesentliche Gabelung, an der wir als Menschheit stehen, ist die Frage, ob wir den Markt entscheiden lassen, wie genau KI eingesetzt wird, oder ob wir uns hierfür als Gesellschaft Regeln auferlegen und in welcher Form.

Diese Regeln und das Selbstverständnis bestimmen wir als Menschheit selbst.

Ich bin sicher kein Freund der weltweiten Relegungswut und von Bürokratie. Und wir sehen, was für konzeptionell widersinnige Ergebnisse Politiker erzielen, wenn sie in komplexe Systeme und Märkte mit Dogmen wie Verbraucherschutz oder Umweltschutz eingreifen.

Ohne intelligente, selbstbestimmte und ethisch stabile Menschen werden wir als Gesellschaft an KI zerbrechen. Das lässt sich nicht mit neuen und mehr Regeln oder Gesetzen ändern, mit denen wir versuchen, die möglichen Gefahren abzuwenden. Dies wird uns tiefer in den Sumpf von Überregulation hineinziehen.

Das gerade anbrechende KI-Zeitalter wird zu einem Systemkampf zwischen dem kapitalistischen Westen (USA, Kanada, Groß Britannien), dem europäischen sozialistischen Weltbild und dem kommunistischen Lager in China und Russland führen.

Wir haben den Menschen in Europa in den letzten Jahren Selbstverantwortung durch Überregulation abgewöhnt. Aus diesem Grund sehe ich für uns Europäer bei der Thematik schwarz. Denn in einer KI-Welt brauchen wir ein freiheitliches und selbstverantwortliches Mindset, um unsere Aufmerksamkeit und Entscheidungen sinnstiftend für unser eigenes Lebens und unsere Gesellschaft einzusetzen.

Was also wird aus unseren extrem erfolgreichen Plattform-Geschäftsmodellen?

Der ewige bundling und unbundling Zyklus für Aggregatoren und Marken wird auch in der KI-Welt weitergehen. Wenn wir es richtig anstellen, wird die Welt fragmentierter und es wird schwerer für die „winner takes it all“-Märkte.

Wenn es so kommt, dann bedeutet es, dass wir (endlich) sinnvolle Regelungen gefunden haben, um KI gestützte Plattformen im menschlichen Sinne zu zähmen.

Wahrscheinlicher wird es sein, dass es unabhängig von der aktuellen Verbots-Diskussion, KI-Brain-Hacking-Plattformen wie TikTok oder Temu geben wird, die uns letztlich manipulieren.

Wir haben es als Menschheit also selbst in der Hand, wie sich unsere Zukunft entwickelt. Im kommenden KI-Zeitalter wird unsere Zukunft weniger von einzelnen Menschen mit Namen wie Elon oder Jeff geprägt sein als von der Resilienz ganzer Communities. Durch die VR-Möglichkeiten werden einige dieser Communities noch einen Ortsbezug wie eine Stadt oder einen Nationalstaat haben. Andere werden sich an Berufen, Hobbies oder Überzeugungen orientieren.

In der Zwischenzeit werden die großen US-Tech-Giganten weiter vom Einbau von KI-Modellen in vielen neuen Branchen und Geschäftsmodelle profitieren.

Bild generiert mit ChatGPT
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