Bitcoin – Freiheit, Stabilität oder Kunst?

1. Dezember 2021

Bitcoin verkörpert die Sehnsucht nach einem alternativen, nicht manipulierten, freien Geldsystem. Aber Bitcoin steht auch für Gier und Spekulation. Es ist vor allem ein soziales Experiment. Vielleicht lohnt sich ein Blick in die Welt der Hippies und auf frühere technologische Revolutionen, um ein paar Vorhersagen zur Zukunft von Bitcoin und Blockchain zu wagen.

Vorneweg: Bei den folgenden Betrachtungen geht es nicht nur um Bitcoin, sondern auch um die dahinter liegende Technologie der Blockchain. Und damit auch um weitere Kryptowährungen wie Ether oder Dodgecoin.

Die Diskussion, ob es sich dabei überhaupt um Währungen handelt, soll hier nicht geführt werden. Denn der Aspekt eines Tauschmittels ist grundsätzlich gegeben, spielt aber in der Realität eine untergeordnete Rolle. Als Wertspeicher erfüllen Kryptowährungen ebenfalls nur einen Teil der Anforderungen, weil sie durch ihre Virtualität und die Entkopplung von staatlichen Zusagen eben keinen klassischen inneren Wert haben. Der Wert von Kryptowährungen basiert damit nahezu vollständig auf sozialen Kommunikationsprozessen, manche nennen dies Markt.

Unser immerwährender Drang nach Freiheit

Unser Status quo fühlt sich immer irgendwie unfrei an. Schon die Generation der Hippies fühlte sich betrogen vom eigenen Staat, der Kriege in fernen Ländern führt, die nicht im Interesse des eigenen Volkes stehen. Den Hippies als Jugendbewegung der 1960er Jahre ging es um Naturverbundenheit, Konsumkritik und Aufbegehren gegen die zu engen Lebens- und Moralvorstellungen. Ziel war eine freie, friedlichere und humanere Welt. Geendet hat diese Bewegung in einer Erstarrung, in einer kommerziellen Unfreiheit von Musik und Mode.

In den 1990er Jahren hat sich dann eine neue Freiheitsbewegung formiert, die Technologie zur Quelle für freiheitliche Entfaltung erhoben hat. Das Internet als vom Militär entwickeltes Kommunikationsmittel, um die ganze Welt zu einem globalen Dorf zu machen. Die Nerds waren begeistert von den Möglichkeiten der Individuellen Kommunikation. Jeder mit jedem, in Millisekunden, ohne staatliche Kontrolle, ohne Medien. Freier Handel über Grenzen hinweg. Anonymität, jeder kann machen, was und wie es ihm gefällt.

15 Jahre später hat sich aus dieser freien Technologie für freie Menschen ein Oligopol aus vier westlichen Unternehmen entwickelt. Diese haben uns mit der Durchdringung unserer persönlichen Kommunikation, dem Zugriff auf Informationen, der Lenkung unserer Aufmerksamkeit und dem Wissen über unsere Zahlungsströme unfreier denn je gemacht. Und die Staaten haben nicht nur zugeschaut, sondern hinter unserem Rücken ein engmaschiges Kontrollnetz zum Erhalt ihrer eigenen Macht aufgebaut.

Auch diese letzte technische Revolution hat nicht nur ihre Kinder gefressen, sondern vor allem ihre eigenen Ideale und Ziele.

Mehr Beispiele gefällig für dieses Muster?

Da diese Zeilen kein Buch sind, sondern nur ein kurzer Artikel, folgen an dieser Stelle nur kurze Anklänge, wie wir Menschen immerzu nach Freiheit streben und was sich daraus entwickelt: 

Französische Revolution: Die Revolutionäre hat zunächst ihr gemeinsamer Kampf für Freiheit zusammengebracht. Dann kam es zu einer Zersplitterung, weil es eben auch um das Durchsetzen eines neuen Machtgefüges ging. (Die Revolution frisst ihre eigenen Kinder.) Etabliert hat sich eine neue staatliche Struktur.

Der wilde Westen: Die Einwanderung und Besiedlung von Nordamerika war geprägt von den vielen neuen Chancen, die sich Menschen eröffnet haben, als sie vor allem aus Europa geflohen sind. Eisenbahn, Goldrausch, Freiheit. All dies hat zu einem Zusammenschluss der heute vereinigten Staaten geführt.

Energienetze, Straßen, Infrastruktur: Neue Technologien sind immer, wenn sie wichtig wurden, von Staaten vereinnahmt worden. Egal ob Energienetze (Gas, Strom) oder Straßen: Infrastruktur wird immer in irgendeiner Form vom Staat kontrolliert. Spannendste Ausnahme bisher sind die großen Techkonzerne, aber auch in diesem Bereich formiert sich die staatliche Ordnung langsam. Nach den wilden Jahren hat für sie inzwischen die Zeit der Regulierung begonnen.

Selbst das Rauchen als Ausdruck von Freiheit und Lebensgefühl mehrerer Generationen ist mit dem Marlboro Mann in eine Welt der Zwänge überführt worden. Was schreiben Zigarettenhersteller heute so alles freiwillig auf ihre Verpackungen?

Warum wollen wir überhaupt eine andere unabhängige Währung?

Heute kritisieren wir, dass unsere Staaten Währungen manipulieren. Mit der Inflation spielen. Blasen durch billiges Geld provozieren. Die Zentralbanken zum Werkzeug der Politik mutieren, indem politische Vorhaben wie der Green Deal mit gedrucktem Geld finanziert werden. Wir fühlen uns unfrei und ohnmächtig gegenüber unseren staatlichen Währungen.

Da kommen der Bitcoin und die Blockchain wie gerufen. Am Anfang mit ähnlichen Argumenten wie 20 Jahre zuvor das Internet: Anonym, unreguliert, frei. Anonymität war nur eine kurze Illusion bis die Menschen erkannt haben, dass sich Transaktionen aufgrund der IP-Adressen letztlich doch zurückverfolgen lassen.

Heute geht es deshalb vor allem um den freien Gegenentwurf einer Währung ohne staatliche Manipulation. Ein sicherer Hafen.

Wie hoch ist also die Wahrscheinlichkeit, dass Bitcoin oder andere Blockchain-basierte Kryptowährungen weiterhin ohne staatliche Regulierung bestehen werden mit einer Langzeit-Perspektive von 10 bis 20 Jahren? Nahe null Prozent. 

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit das die Blockchain-Technologie oder andere DeFi- (Dezentralisierte Finanzmärkte) Konzepte gewinnen und sich als Technologie durchsetzen werden? Sehr hoch.

Es hängt also von der eigenen Perspektive ab. Muss man heute zu Hype-Zeiten in Bitcoin oder andere Kryptowährungen investieren? 

Wenn man sich gegen einen Zusammenbruch staatlicher Systeme versichern will, dann eher nicht. Denn es ist davon auszugehen, dass Bitcoin und Co. in einem synchronen Vertrauensprozess zu den staatlichen Währungen stehen.

Wenn man bei der Rallye dabei sein will und aus dem Nichts Wert generieren möchte? Wer das vor fünf Jahren getan hat und heute so viel verkaufen konnte, dass er seinen Einsatz schon herausgeholt hat, ist sicherlich ein glücklicher Spieler. Denn er hat mit seinem verbleibenden Einsatz nur noch Upside-Potenzial. Alle anderen Spieler fahren ein höheres Risiko.

Schlussgedanke: ist Krypto Kunst?

Vielleicht sollten wir Krypto-Währungen eher wie Kunst betrachten. Denn auch Kunst unterliegt unterschiedlichen Werttreibern, die denen von Kryptowährungen nicht unähnlich sind: Nur selten gibt es einen inneren Wert. Keine Rendite durch eine innere Cash-Produktion. Große Abhängigkeit von der Angesagtheit des Künstlers. Im Krypto-Spiel ist das die Abhängigkeit von der eingesetzten Technik und dem Format, die bestimmt was gerade sicher und damit „in“ ist. Der Kunstmarkt ist abhängig von einem generellen Trend (Technik und Format) und einem sozialen Aspekt (dem Künstler). Diese beiden Aspekte lassen sich direkt auf Kryptowährungen übertragen und unterscheiden sich damit deutlich von anderen Anlageformen.

Wenn es nur die Gier – oder netter gesagt der Wunsch – nach einem Wertzuwachs bei einer Geldanlage ist, dann ist es logischerweise genauso sinnvoll, in Kunst zu investieren.

Wenn wir uns für ein freies Geldsystem einsetzen wollen, dann werden wir von Bitcoin und Co. mindestens langfristig enttäuscht werden.

Also: heute schon Kunst gekauft, um frei zu bleiben? Bald ist ja auch Weihnachten…

Quelle: https://unsplash.com/photos/JrjhtBJ-pGU
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