„Greenwashing“ – was ist das eigentlich?

27. Juni 2023

Mit dem Label der Nachhaltigkeit schmückt sich jedes Unternehmen gerne. Kaum eine Marketingstrategie läuft in der aktuellen Zeit besser als die Betonung des umweltfreundlichen Images. Man muss sich fast fragen, wann man das letzte Mal über eine Werbung gestolpert ist, die nicht die angebliche Nachhaltigkeit des Unternehmens betont. Die inflationäre Verwendung des Begriffs und die enorme Attraktivität eines nachhaltigen Produkts für viele Verbraucher hat in den vergangenen Jahren so einige Übertreibungen in der Wirtschaft zum Vorschein gebracht, die es einfach mit sinnfreien, rein kampagnen- und aufmerksamkeitsorientierten Einzel-Nachrichten übertreiben. Das Problem dabei ist vor allem, dass es einer Reihe von Firmen nicht um eine wirklich ganzheitliche Betrachtungsweise der Belange unseres Planeten geht. Sie konzentrieren sich damit lediglich auf werbe- oder imagefördernde Headlines. Dieses Vorgehen kann man durchaus als Verrat an der Idee und Notwendigkeit sehen, dass wir Menschen in Zukunft sinnvoller mit den Ressourcen des Planeten umgehen müssen, als wir es in den letzten Jahrzehnten getan haben. 

Das System, das hinter diesem Vorgehen steckt, nennt sich „Greenwashing“. Ein Begriff, der mittlerweile fast zum alltäglichen Sprachgebrauch dazugehört. In der Schweiz wurde das Wort 2021 zum „Finanzwort des Jahres“ gekürt. Aber was genau steckt hinter „Greenwashing“, was bedeutet es für die Finanzbranche, wer fördert es und was für Gegenbewegungen gibt es? 

Jeder will schnelle Erfolge, ein grünes Image und die „weiße Weste“

Die Suche nach einem Unternehmen, das nicht der „grünen Spur“ auf den Versen ist, gestaltet sich zunehmend schwierig. Greenwashing erstreckt sich über nahezu jede Branche. Alle werben mit Plakaten, Slogans und Spots, die uns als Verbraucher verdeutlichen sollen, dass wir mit unserem Kauf nahezu ein Statement gegen den Klimawandel setzen. Dass das in den meisten Fällen einem rein fiktiven Traumszenario entspricht, ist vielen Verbrauchern zwar klar, aber dennoch funktioniert diese Werbemasche. 

Das übergeordnete Ziel von Greenwashing ist die positive Wahrnehmung eines Unternehmens. Durch verschiedenste PR- und Marketingtechniken wird versucht, dem Unternehmen eine „weiße Weste“ zu verleihen. Dabei kann es um Themen wie den Klimawandel, den Welthunger, Armut und anderes gehen, was das Unternehmen in ein positives Licht rückt. Besonders beliebt sind aber ganz klar die Felder, die das Klima betreffen. Schlagworte wie „nachhaltig“, „energieeffizient“ und „CO2-neutral“ sind dabei ganz hoch im Kurs. 

Das System dahinter

Um sich ein grünes Image zu verschaffen, braucht es öffentlichkeitswirksame Aktionen, die einzelne positive Leistungen, Strukturen oder Vorgaben des Unternehmens herausstellen. Große Werbekampagnen oder PR-Events sorgen dafür, dass diese positiven Einzelleistungen enorm hervorgehoben werden. Was aktiv verschwiegen wird und damit im Verborgenen bleibt, ist die Diskrepanz zur eigentlichen Firmenkultur und das nach anderen Zielen betriebene Kerngeschäft. Also letztlich die Widersprüche zwischen innerer Einstellung des Unternehmens und der marketingwirksamen Außendarstellung. Negative Kausalitäten werden verschwiegen und ausgeblendet – was zählt, ist das plakative Herausstellen des einen, positiven Aspekts. 

Damit die ganze Maschinerie reibungslos funktioniert, sind oft nicht nur die Unternehmen selbst, sondern spezialisierte PR-Agenturen, Lobbyisten und Vermarkter mit am Werk. 

Greenwashing einfach gemacht

Irreführend für Verbraucher sind Begriffe und Formulierungen, die auf Produkten vermeintlich klare Botschaften vermitteln. Wer sich einen Pulli zulegt, auf dem ein Label mit „umweltfreundlich“ wirbt, wird mit der Überzeugung das Geschäft verlassen, eine nachhaltige Kaufentscheidung getroffen zu haben. Gleiches gilt für diejenigen, die in der Obst- und Gemüseabteilung ihres Supermarkts bewusst zu den „natürlichen“ und „regionalen“ Produkten greifen. Das Problem dabei: All diese Begriffe sind weder rechtlich geschützt noch eingeschränkt nutzbar. Im Klartext bedeutet das, dass sich hinter den schicken Etiketten nur leere Worte verstecken können, die den Verbraucher in die Irre führen. 

Ähnlich gehen Unternehmen vor, die bewusst mit einem farblich entsprechend ausgerichteten Firmenbranding für ihre Image sorgen wollen. Die Farbe Grün machen sich Unternehmen in ihrem Logo, auf ihrer Website und bei ihren Marketingkampagnen nicht selten zu eigen, um direkt Assoziationen zu „Umweltfreundlichkeit“, „Natur“ und „Gesundheit“ zu schaffen. Ähnlich agieren Lebensmittelhersteller, die Bilder von Tieren auf grünen Wiesen oder gar in der freien Natur auf ihre Packungen drucken. Eine grüne Bildsprache hilft vor allem den Unternehmen, die sich anderweitig nicht nachhaltig positionieren können, zumindest auf den ersten Blick als Unternehmen „mit weißer Weste“ wahrgenommen zu werden. 

ESG als irreführendes Ziel für nachhaltige Investments

Auch das Interesse an nachhaltigen Produkten im Finanzmarkt hat in den vergangenen Jahren enorm zugenommen. Solche, als nachhaltig deklarierte Finanzprodukte, sollte man jedoch genauer unter die Lupe nehmen. Was als Finanzierung von sozialen und grünen Projekten vermarktet wird, kann ein reines Image-Produkt sein. 

Die ESG-Ziele, die sich vor allem auf die „Do-less-harm“-Strategie konzentrieren, tragen einen Großteil zu Greenwashing bei. Denn anstatt eine impact-orientierte „Do-active-good“-Haltung zu unterstützen, die tatsächlich zu einer nachhaltigeren Entwicklung führen kann, werden durch ESG Vorhaben gestärkt, die sich hinter dem angeblichen Erreichen der ESG-Ziele verstecken. Dennoch werden ESG-Fonds und Produkte immer beliebter. 

Die hohe Nachfrage begünstigt die Entwicklung von oberflächlich „grünen” Finanzprodukten, die in Wirklichkeit alles andere als „grün” sind. Durch ESG wurde ein niedrigschwelliges Label geschaffen, mit dem sich jeder Anbieter schnell und hürdenfrei ein nachhaltiges Image zusammenbasteln kann. Das Bewusstsein dafür ist gesellschaftlich aber noch nicht vorhanden, weswegen sich Anleger und Konsumenten blauäugig und in bester Absicht dennoch für diese „Greenwasher” entscheiden. ESG ist also keine Lösung, sondern vielmehr Teil des Problems.

Politik als Verursacher von Greenwashing

Wieso lassen sich Unternehmen so sehr verleiten, ihr Marketing an den Nachhaltigkeits-Themen auszurichten? Die Antwort ist breit gefächert, lässt sich aber dennoch kurz und bündig zusammenfassen: der mediale Druck ist groß und lässt kaum noch Alternativen zu. Bedanken können wir uns bei Greta, den Klimaklebern und den vielen anderen Menschen, die Weltuntergangsszenarien wieder en vogue gemacht haben. 

Unsere Politik macht währenddessen Symbolpolitik und dreht beispielsweise den Kernkraftwerken den Hahn ab, während die Kohlekraftwerke fröhlich weiterlaufen. Es ist nur die logische Konsequenz, dass viele Verbraucher verunsichert sind und nicht wissen, wie sie finanziell unbeschadet durch das ganze Umwelt-Energie-Chaos durchkommen sollen. Von offizieller Seite wir dennoch versucht, eine Aufbruchsstimmung zu erzeugen. Leider ist durch die unklare Führung und fehlende Leitlinie jedoch genau das Gegenteil entstanden. Weder bei den Verbrauchern noch in der Industrie und Wirtschaft ist ein „nachhaltiges Anpacken“ zu beobachten. Anstelle von langfristigen Erfolgsstrategien steht bei den meisten Unternehmen der kurzfristige Hype um Aufmerksamkeit im Vordergrund. Natürlich ist das nicht richtig, aber dennoch auf Grund der Entwicklungen der vergangenen Monate und Jahre nachvollziehbar. 

SFDR und CSRD verpflichten zur Offenlegung

Mit der „Sustainable Finance Disclosure Regulation”, hat die EU eine Verordnung zur Transparenzpflicht nachhaltiger Finanzprodukte eingeführt. Sie trat im Frühjahr 2021 in Kraft, um besonders im Bereich von Finanzprodukten gegen Greenwashing vorzugehen. Erstmalig werden Fondsmanager durch diese Regulierung dazu gezwungen, negative gesellschaftliche und ökologische Auswirkungen ihrer Anlagen offenzulegen. 

Die Absichten hinter SFDR sind positiv. Die Idee ist es, vor allem impact-orientierten Artikel-9-Finanzprodukten eine größere Bühne und Möglichkeit zur Differenzierung zu bieten. Solche Unternehmen oder Finanzprodukte, die sich nach Artikel 9 klassifizieren lassen möchten, müssen eine positive Gesamtstrategie nachweisen, mit der sie einzelne Aspekte der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele umfassend und positiv verbessern. Sie sind also dazu verpflichtet, eine klare „Do active good“-Strategie mit konkretem Nachweis zu verfolgen. 

Problematisch ist jedoch die Umsetzung: Weil man eben nicht alle anderen Unternehmen, die diesen Nachweis nicht erbringen können, in die Kategorie des Artikel 6 verbannen wollte, musste eine weiter Kategorie her. Artikel 6 soll für jene Unternehmen vorbehalten werden, die sich dem Reporting entziehen und dadurch abgestraft werden. Dadurch entstand mit den Artikel-8-Unternehmen eine weitere, etwas unbestimmte Kategorie. Um diese Kategorie zu klassifizieren, sind die unbestimmten ESG-Vorgaben herangezogen worden, die der Betonung von positiven Einzelaspekten Tür und Tor öffnen. 

Durch diese Entwicklung hat die EU in unbeabsichtigter Form dem Thema Greenwashing massiven Vortrieb gegeben. Man kann sogar von strukturellem Greenwashing durch die EU-Vorgaben sprechen. Diesen Trend versucht die EU jetzt durch weitere Vorschriften wieder einzudämmen, was sich aufgrund der Struktur der existierenden SFDR-Vorschriften jedoch als schwierig erweisen wird.

Fazit

Es bleibt letztlich in unserer Verantwortung als Verbraucher, uns nicht von kurzfristigen und zusammenhanglosen Aussagen blenden zu lassen. Das Thema CO2-Reduktion steht aktuell so sehr im Mittelpunkt, dass wir wichtige andere Felder wie Wasserqualität, Versauerung der Böden oder unsere umfassenden sozialen Herausforderungen sträflich vernachlässigen. 

Wir sollten dem Impuls widerstehen, nach immer mehr Regulierung zu schreien und jetzt nicht auch noch fordern, Greenwashing verbieten lassen. Stattdessen sollten wir uns der Verantwortung und der Möglichkeit, die wir als Verbraucher haben, stellen. Es ist unsere Entscheidung, ein Produkt oder einen Service zu kaufen. Es ist unsere Entscheidung, ob wir ohne jegliches Nachdenken konsumieren, oder anfangen, hinter die Kulissen zu schauen und uns eine qualifizierte Meinung zu bilden. 

Leider machen es uns die Medien nicht unbedingt einfach, denn auch sie unterliegen dem Aufmerksamkeits-Diktat und lassen sich nicht von der Suche nach Informationen mit hoher Qualität, sondern von der nächsten Klickwelle leiten. 

Wer nicht nur „ohne Schaden“ konsumieren und investieren möchte, sondern gleichzeitig einen positiven Beitrag leisten will, sollte sich auf Unternehmen konzentrieren, die der Impact-Logik folgen. Diese vermindert das Risiko, in Greenwashing zu investieren, da Nachhaltigkeitsziele im Geschäftsmodell fest verankert sind. Die Grundidee der Impact-Logik beruht schließlich darauf, neben einem rein finanziellen Wert auch im sozialen und ökologischen Bereich messbare, positive Ergebnisse zu erzielen. 

Die Greenwashing-Übertreibungen der zahlreichen Unternehmen tagtäglich zu entlarven, ist nahezu unmöglich. Dennoch ist der kritische Geist eines jeden einzelnen gefragt, wenn es darum geht, eine wirklich nachhaltige Entscheidung zu treffen. Die Impact-Logik bietet eine ebenso langfristige wie wirtschaftliche Alterative zum grünen Deckmantel des Greenwashings.

Quelle: https://unsplash.com/de/fotos/s8w1-m69bS0
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