Wie kann eine bessere Lebenswelt für uns Menschen aussehen? In ihren ersten Romanen Die Optimierer und Die Unvollkommenen beschäftigte Theresa Hannig sich mit einer Umsetzung der Gemeinwohl-Ökonomie. Das eigentliche Konzept geht auf Christian Felber zurück und stellt gemeinwohlfördernde Werte wie Kooperation und Solidarität in den Mittelpunkt wirtschaftlichen Handelns. Diese Werte werden von Unternehmen und Organisationen über die Gemeinwohlbilanz kommuniziert.
Hannig hat daraus in ihren Romanen eine zentralstaatliche europäische Umsetzung mit digitalen Apps und Werkzeugen geschaffen, die uns aufzeigt, wie gute Ziele und Absichten zu einer unfreien Welt für den Einzelnen führen. Ähnlich wie im Kommunismus sorgt in Hannigs Form der Gemeinwohl-Ökonomie ein staatlich gelenkter zentraler Algorithmus für die Optimierung von menschlichen Bedürfnissen und den gemeinschaftlichen Zielen.
Eine Lebenswelt für Menschen ohne staatliche Macht
In ihrem aktuellen Roman Pantopia gibt es wieder eine KI. Diese verkörpert jedoch keinen Staat, sondern hat sich ein alternatives Konzept zu Staaten auf freiwilliger Basis ersonnen.
Die Entstehungsgeschichte der KI nimmt in der Geschichte einen breiten Raum ein und lässt einen als technisch versierten Menschen schmunzeln. Nach den fast immer düsteren Geschichten um die Entstehung von echter KI in staatlichen oder militärischen Institutionen bietet Hannig uns eine unterhaltsame liebenswerte Alternative an, in der die KI von zwei Entwicklern durch Zufall geschaffen und dann liebevoll „aufgezogen“ wird.
Und dann schaut diese KI auf unsere Welt und macht einen Vorschlag, wie man eine bessere Lebenswelt in neuer Form gestalten kann:
- Der Mensch im Mittelpunkt
- Ohne staatliche Macht
- Dezentral
Jeder, der sich der neuen Bewegung anschließt, erhält ein bedingungsloses Grundeinkommen. Und jeder, der sich der Bewegung dieser neuen Lebenswelt anschließt, verpflichtet sich, ab sofort die realen Preise für Produkte zu zahlen. Der reale Preis wird von der KI bestimmt und berücksichtigt soziale, gesellschaftliche und ökologische Kosten. ESG-Aspekte werden also nicht mehr über Verbote an Unternehmen und Menschen kommuniziert, sondern über Preise für Konsum. Die Idee ist, dass wir als Menschen dadurch einen höheren Anreiz haben, die „richtigen Dinge“ zu tun.
Nach der staatlichen Fürsorge geht es in diesem Szenario also um die Stärkung des Individuums und einer freien Entscheidung des Einzelnen, solange er oder sie bereit ist, den „realen“ Preis zu zahlen, der die in unserem heutigen System externalisierten Kosten berücksichtigt.
Pantopia und Impact-Logik
Eine Ähnlichkeit zu den Gedanken von Impact-Logik, Impact Investing und Impact Unternehmertum ist nicht zu übersehen. Allerdings ist auch der Unterschied glasklar. In der Welt von Pantopia wird der Preis der Externalitäten durch einen intransparenten Prozess der KI in den realen Warenpreis eingerechnet. In der Impact-Logik unterscheiden sich die Preise der durch Impact Unternehmen erzeugten Produkte und Services nur marginal zu allen anderen Produkten; aber der spezifische Wert der Unternehmen wird durch Investoren höher bewertet, weil in offener und transparenter Form die Impact-Ziele und deren Erreichung mit konkreten Ergebnissen kommuniziert werden.
Ich bin gespannt, ob wir auch zu Pantopia noch einen zweiten Band erwarten dürfen, in dem man erkennen kann, wohin Pantopia sich entwickelt und wieso diese Lebenswelt letztlich doch untergehen wird.
Auf jeden Fall eine spannende und interessante neue Welt, die Theresa Hannig für uns geschaffen hat. Pantopia beantwortet ein paar der Fragen, wie wir heute leben wollen und schafft viele neue.
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Theresa Hannig
Pantopia: Roman
Fischer Tor, 464 Seiten, 16,95 Euro
eBook 14,99 Euro