Welche Teams und Kapitalgeber die neue Startup-Ära prägen werden
Ich glaube nicht daran, dass wir in Zukunft durch den Gebrauch von KI viele 3-Personen-Unicorns sehen werden. Klar, wird es immer wieder spektakuläre Beispiele wie WhatsApp geben – wenige Menschen, Milliarden-Bewertung. Aber was ist mit der Masse der Neugründungen?
Genau hier wird der fundamentale Shift stattfinden. Ich sehe ein anderes Modell: Die erfolgreiche Gründung der Zukunft benötigt für jeden Bereich – Produktmanagement, Vertrieb, Marketing etc. – einen erfahrenen Spezialisten.
Exakt diese erfahrenen Köpfe können mit KI-Unterstützung effizient neue Produkte oder Services entwickeln und vermarkten. Wo nötig, holen sie zusätzlich externe Spezialisten hinzu. So entstehen Teams von Senior-Operatoren mit bewährter Mustererkennung, die dann spezialisierte Agenten-Systeme steuern.
Die Zukunft gehört Agenten-Teams: Beispiele gefällig?
Einige aktuelle Beispiele zeigen eindrucksvoll, wie Unternehmen bereits heute mit autonomen Agenten arbeiten:
- Onyx, gegründet 2023 in San Francisco, bietet eine Open-Source-KI-Lösung, die es Unternehmen ermöglicht, über verschiedene Tools und Dokumente hinweg effizient Informationen zu finden. Die KI-Agenten von Onyx können komplexe Analysen durchführen und Empfehlungen geben, um Geschäftsprozesse zu optimieren. Im März 2025 sicherte sich Onyx eine Seed-Finanzierung von 10 Millionen US-Dollar, unterstützt von Investoren wie Khosla Ventures, First Round Capital und Y Combinator.
- Palona AI, mit Sitz in Palo Alto, entwickelt KI-Agenten, die menschliche Interaktionen nachahmen und speziell für den Einzelhandel konzipiert sind. Die Agenten können Kundenbedürfnisse erkennen, personalisierte Empfehlungen geben und so den Umsatz steigern. Im Januar 2025 erhielt Palona eine Seed-Finanzierung von 10 Millionen US-Dollar von Investoren wie UpHonest Capital und Fusion Fund.
- Augmenta, ein Startup aus Toronto, nutzt KI-Agenten, um den Entwurfsprozess in der Bauindustrie zu automatisieren. Die Agenten können Baupläne analysieren, Optimierungsvorschläge machen und so die Effizienz steigern. Im März 2025 sammelte Augmenta in einer Seed-Runde 10 Millionen US-Dollar ein; angeführt von Prelude Ventures.
Diese Beispiele unterstreichen, dass KI-Agenten-Modelle in der Praxis bereits funktionieren und enorme Potenziale bieten.
AI übernimmt Execution – Menschen bleiben kreativ
Ja, die KI ersetzt Juniors und operative Tätigkeiten. Aber die Köpfe dahinter, die Visionäre und Strategen, werden wir weiterhin brauchen.
Die nächste Generation erfolgreicher Unternehmen wird nicht auf Co-Piloten oder simplen SaaS-Tools beruhen. Stattdessen kommen spezialisierte, autonome KI-Agenten zum Einsatz, die auf proprietärer Logik und individuellen Daten basieren. Diese Agenten erledigen zuverlässig über 90% der Aufgaben in ihrem jeweiligen Bereich. Der entscheidende Unterschied: Die IP liegt nicht im Tool, sondern in der eigens entwickelten und kontinuierlich optimierten Agenten-Architektur.
Daraus resultierende Folgen dieses Modells werden sein
- Keine Junior-Positionen oder klassische mittlere Führungsebene
- Keine „Wrappers“ oder traditionellen SaaS-Produkte
- Ein kleines Team hochqualifizierter Spezialisten mit exponentieller Hebelwirkung und kontinuierlicher IP-Wertsteigerung
Die Teams müssen jedoch auch enorme Herausforderungen bei bisher personalaufwändigen Querschnittsfunktionen meistern, um in die neue Effizienzdimension vorstoßen zu können: Datenqualität, Datenschutzbestimmungen, das Management von Infrastruktur und Rechenleistung müssen domänenübergreifend bewältigt werden.
Zudem gibt es branchenspezifische Unterschiede: Software-Startups können Agenten einfacher und flexibler implementieren als beispielsweise Hardware- oder Deeptech-Unternehmen. Gerade bei regulierten Branchen, wie dem Gesundheitswesen, oder Finanzdienstleistungen bedarf es spezifischer Anpassungen in der Technologieentwicklung und Compliance.
Wie verändert dies Investoren und den Investitionsprozess?
Diese Teams von Profis kosten Geld, denn sie müssen aus komfortablen Jobs herausgelockt werden und sich erneut in ein Startup-Abenteuer stürzen. Manche Unternehmen werden schlussfolgern: Somit brauchen wir nicht mehr die üblichen 500k- Seedfinanzierungen, sondern von Beginn an deutlich größere Summen, um diese Experten zu finanzieren.
Aber natürlich braucht man Kapital nicht nur für Senior-Gehälter, sondern auch für Infrastruktur, KI-Agenten-Training und Betriebskosten. Die klassischen kleinen Seed-Runden, die bisher primär zur Erprobung und Gründer-Ausbildung dienten, passen scheinbar nicht mehr ins neue Schema. Doch wird das gut gehen? Lassen sich satte Profis allein über hohe Gehälter motivieren?
Ja, wir werden dieses Muster sehen – und sehen es bereits. Aber wir erleben auch ein anderes, spannenderes Muster: Teams von vier bis zehn hungrigen Profis, die nur das nötigste Kapital für Betriebskosten und Infrastruktur brauchen und erneut „all-in“ gehen. Solche Teams sind besonders spannend und gute Investoren werden genau diese Gründer finden und unterstützen. Denn gute Investoren bieten weitaus mehr als nur Geld!
Welche Investoren passen dazu?
Heutige Venture-Fonds sind nicht auf dieses neue Modell vorbereitet, denn das KI-Agenten-Modell verändert die Anforderungen an Investoren grundlegend. Hier zählen nicht mehr nur Kapital, sondern tiefes Verständnis für Technologie und eine enge Partnerschaft mit den Gründern. Folgende Investorengruppen werden völlig neue Chancen mit den Gründern entwickeln können:
- Aktive Family-Equity-Unternehmen, die nicht nur über Kapital, sondern auch über unternehmerische Erfahrung verfügen. Diese Familienunternehmen investieren langfristig und verstehen, dass der Aufbau von komplexen Agenten-Architekturen Zeit und intensive Unterstützung braucht.
- Strategische Investoren mit gemeinsamen langfristigen Zielen, beispielsweise etablierte Unternehmen, die selbst an KI-Agenten-Systemen arbeiten oder sie zukünftig nutzen möchten. Sie können nicht nur Kapital, sondern auch direkten Marktzugang, Datenpools oder technologische Infrastruktur bereitstellen. Kooperationen wie diese helfen Startups, schneller zu skalieren und sich im Markt klar zu positionieren.
- Operator-Investoren mit Tech-Hintergrund, ehemalige Gründer oder leitende Manager, die selbst schon erfolgreich komplexe Technologien entwickelt und skaliert haben. Solche Investoren bringen neben finanziellen Ressourcen vor allem technologische Expertise und Erfahrung im operativen Geschäft ein. Sie verstehen unmittelbar, welche Hürden auf Startups zukommen, und können proaktiv dabei helfen, diese Herausforderungen frühzeitig zu meistern.
En top entstehen aktuell neue, spezialisierte Investmentvehikel wie KI-fokussierte Fonds und Syndikate, die gezielt in autonome Agenten-Technologien investieren. Diese Fonds bündeln Kapital und spezifisches Know-how. Sie bieten Startups zusätzliches Netzwerk und tiefe Branchenkenntnisse.
Um als Gründerteam das volle Potenzial des KI-Agenten-Modells auszuschöpfen, sollten Startups also nicht nur auf die Finanzierungshöhe achten, sondern vor allem auf die Passgenauigkeit ihrer Investoren in Bezug auf Wissen, Erfahrung und langfristige strategische Interessen.
Neue Gattung oder kompletter Shift der Branche?
Die spannende Frage ist, ob wir in zehn Jahren überhaupt noch klassische Gründungen sehen werden, oder ob künftig jedes Unternehmen von Anfang an mit maximaler KI-Agenten-Effizienz aufgebaut werden muss. Wie genau das bei Deeptech, Infrastruktur- oder Hardware-Unternehmen aussehen kann, ist heute noch offen – aber genau darüber sollten wir nachdenken.
Schon jetzt zeichnet sich ab, dass KI-Agenten die Art und Weise, wie Unternehmen Wert schaffen, grundlegend verändern könnten. Aber was bedeutet das konkret für traditionelle Unternehmen? Letztlich wird jedes Unternehmen gezwungen sein, seine Prozesse ebenfalls komplett auf autonome Agenten umzustellen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Dies wird die Kompetenzen klassischer Führungskräfte und Mitarbeiter in Zukunft in allen Branchen massiv verändern.
Die Zeiten des Lean Startup mit iterativen, experimentellen Methoden hin zu tiefem Expertenwissen scheinen vorerst vorbei. Neue Unternehmen skalieren nicht mehr über wachsende Mitarbeiterzahlen, sondern über ganze Flotten autonomer, hochentwickelter Agenten. Sie unterstützen etablierte Player nicht beim schrittweisen Personalabbau, sondern treten an, um diese komplett zu ersetzen!
Fazit
Was bedeutet das für den Exit-Kanal der Strategen: Können Strategen in Zukunft solche Unternehmen überhaupt noch kaufen und dann später integrieren? Oder sind diese agentenbasierten Unternehmen dazu verdammt, entweder selbst zum Marktführer zu werden oder unterzugehen, weil sie struktur- und modelltechnisch nicht integrierbar sind?
Die Option, in einer Nische profitabel zu agieren und sich einfach “zu entwickeln”, ist für VC finanzierte Unternehmen systemtechnisch nicht darstellbar – ein echtes Problem. Die geringen Fixkosten machen solche Unternehmen eigentlich zu idealen Evergreens für Family-Offices.
Werden wir also noch „normale“ Gründungen sehen, die dann nachher doch noch erfolgreich werden?
Unterm Strich mehr Fragen als Antworten – lasst uns gemeinsam darüber nachdenken und es einfach ausprobieren.
Was denkt ihr darüber?