Frank Schätzings umfangreiches Buch „Die Tyrannei des Schmetterlings“ ist bestimmt nicht die zeitlich effizienteste Form, sich mit den aktuellen Entwicklungen im Bereich Künstliche Intelligenz (KI), Bio-Hacking und den Auswirkungen einer immersiv vernetzten digitalen Welt auseinander zu setzen. Aber es bietet eine absolut intensive Möglichkeit, die unter die Haut geht. Und zusätzlich macht es den aktuellen Stand der Technik auf einer ganz konkreten Ebene mit Beziehungen, Ängsten und Gefühlen für uns (be)greifbar.
Superintelligenz als greifbare Utopie
Bis auf die Paralleluniversen ist alles, das Schätzing hier erschafft, auch irgendwie in den nächsten Jahren vorstellbar. Zumindest wenn man Autoren wie Nick Bostrom, die eine Superintelligenz und die möglichen Auswirkungen auf unsere Menschheit wissenschaftlich schon aufbereitet und daraus konkrete Szenarien entwickelt haben, Glauben schenkt.
Eine solche vernetzte und allgegenwärtige Superintelligenz steht im Mittelpunkt der Geschichte. Und es geht um all das, was uns Menschen im Kontext von Künstlicher Intelligenz beschäftigen sollte:
- Woran erkennen wir eine intelligente Maschine?
- Lässt sich eine Superintelligenz beherrschen?
- Was wird eine solche Maschine mit uns als Menschheit machen?
- Wird eine solche Superintelligenz Gefühle haben und Empathie entwickeln können?
Was macht den Menschen aus?
Aber wichtig ist in diesem Buch nicht nur der Aspekt, was mit einer superintelligenten Maschine alles machbar wäre, sondern auch eine ganz wesentliche Frage, die Schätzing mithilfe der Handlungen seiner Protagonisten stellt: Was macht den Menschen aus?
Ein paar Antwortmöglichkeiten werden den Lesern in diesem Zuge direkt mit auf den Weg gegeben:
- Bewusstsein
- Freier Wille und Autonomie (Oder ist auch das eine Utopie, wenn man an Hararis Homo Deus denkt?)
- Die Sammlung unserer Erinnerung (Wie in Westworld durchgespielt.);
- Individuelle Einzigartigkeit (Was ist, wenn auch das eine Utopie ist?);
- Beziehungen und soziale Interaktionen.
Rasante Story mit Realitätsbezug
Auch die aktuellen Hype-Themen wie IoT, Künstliche Intelligenz und Cyborg Lebewesen (z.B. (Silicium)vernetzte und damit schwarmintelligente Käfer) hat Schätzing verarbeitet. Herausgekommen ist eine ab der Mitte des Buches rasante, insgesamt wortgewaltige Geschichte, die vor allem wegen des Aufbaus der Charaktere am Anfang Geduld erfordert.
Es ist eine dunkle Vision als Warnung davor, was wir mit Rechnern in den nächsten Jahren erreichen können, die interessante Einblicke in die konkreten menschlichen Auswirkungen bietet. Und irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass die Geschichte – abgesehen von diversen Sci-Fi-Elementen – auch in der Gegenwart spielt. Denn natürlich ist die Basis der Entwicklung ein Wirtschafts-Unternehmen und dieses hat zufällig immense Ähnlichkeiten zu Google.
Obwohl die Erschaffer der Intelligenz gute Absichten, eine hohe ethische Kompetenz und eine Menge Respekt an den Tag gelegt haben, geht die Vorstellung von Frank Schätzung insgesamt nicht gut aus. Trotzdem: ein tolles und spannendes Leseerlebnis!
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Frank Schätzing
Die Tyrannei des Schmetterlings: Roman Kiepenheuer&Witsch Verlag, 736 Seiten, 26,00 Euro
Kindle Ausgabe 19,99 Euro